Der Klimaweisen letzter Schluss

Es wird wärmer als bisher gedacht, prognostizieren Klimaexperten. Und das wird Folgen für alle Länder der Erde haben. Im Mai soll neu über Klimaschutzmaßnahmen verhandelt werden. Weltklimarat greift die USA an

von MAIKE RADEMAKER

Das Klima könnte sich in den nächsten 100 Jahren um bis zu 5,6 Grad erwärmen. Das wäre ein Drittel mehr als bisher angenommen. Mit dieser Prognose warnten Wissenschaftler des Internationalen Klimarates (IPCC) auf einem Treffen in Schanghai am Wochenende erneut vor den Konsequenzen aus dem Klimawandel. An der Diskussion über den mittlerweile 3. Klimabericht des IPCC nahmen mehr als 100 Experten teil. Teile der Untersuchung waren bereits zur Klimakonferenz im November in Den Haag bekannt geworden.

Nach Angaben der Forscher gibt es neue und bessere Beweise, dass der größte Teil der Klimaerwärmung menschlichen Aktivitäten zuzuschreiben ist. So hat der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre zugenommen, der als ein Hauptfaktor für den Erwärmungsprozess gilt – laut IPCC seit 1750 um 31 Prozent. Dafür sei das Verbrennen fossiler Stoffe eine „dominante Ursache“. Eine so hohe Konzentration habe es seit mindestens 420.000 Jahren, vielleicht seit 20 Millionen Jahren nicht mehr gegeben.

Die Wissenschaftler warnen vor vermehrten Dürren und Überschwemmungen. Zum Teil könne man die Folgen bereits jetzt erleben. In Afrika und Asien seien die extrem heißen und trockenen Zeiten schon in den letzten Jahrzehnten häufiger und intensiver geworden. Die Schneedecke ist weltweit um zehn Prozent geschrumpft. Die Eiszeit auf Flüssen und Seen im Norden hat sich um zwei Wochen verkürzt.

Während der grönländische Schild schmelzen wird, soll sich für den antarktischen Eisschild allerdings wenig ändern, weil mehr Niederschlag fällt. Auch die Anzahl und Heftigkeit tropischer Stürme wird nach bisherigen Prognosen nicht zunehmen.

Der Meeresspiegel dagegen könnte bis zum Ende dieses Jahrhunderts zwischen neun und 88 Zentimeter steigen, bereits jetzt beginnen Eiskappen und Gletscher zu schmelzen. Das gilt als eine der schlimmsten Folgen: Der Anstieg bedroht eine ganze Reihe Inseln und zahlreiche Küstenstädte auf allen Kontinenten.

Der Leiter des UN-Umweltprogramms, Klaus Töpfer, appellierte an die Politiker, die „Alarmglocken“ ernst zu nehmen. Treffen werde der Klimawandel nicht nur die Entwicklungsländer, auch wenn diese am schlimmsten unter den prognostizierten Folgen leiden würden. Auch die europäischen und andere Länder des Nordens, die sich bisher vor negativen Auswirkungen sicher wähnten, werden sich nicht entziehen können. Für gut möglich halten die Experten, dass europäische Flüsse im Sommer weniger Wasser führen. Das würde nicht nur die Wasserversorgung der Städte gefährden, sondern auch die Sicherheit und den Betrieb von Kraftwerken, die Flusswasser zum Kühlen brauchen. Schon bei der Trockenheit 1991 mussten französische AKWs deswegen abgeschaltet werden. Sollte der Meeresspiegel tatsächlich so rasant weitersteigen, wären auch europäische Städte oder etwa New York betroffen.

Das Schanghaier Treffen ist eines von mehreren, bei denen an den letzten Details der 1.000 Seiten starken Studie, die von 516 Autoren erstellt wurde, gefeilt werden soll. Die Endfassung soll in die für Ende Mai geplante Klimakonferenz eingespeist werden.

Spätestens dann wird sich zeigen, ob die Aussagen der Experten auch politische Auswirkungen haben. Statt der eigentlich geplanten normalen Sitzung des UN-Klimasekretariats soll es eine internationale Ministerkonferenz geben.

An den verhärteten Positionen, die die Konferenz zum Kyoto-Protokoll in Den Haag haben scheitern lassen, hat sich allerdings bislang nichts geändert. Man müsse sehen, was sich bei den Amerikanern tue, sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. Robert Watson, Chef des IPCC, kritisierte die USA in Schanghai für ihre bisherige Klimapolitik. „Ein Land wie China hat meiner Meinung nach mehr getan als die USA, indem es sich wirtschaftlich weiterentwickelt und gleichzeitig sensibel für Umweltfragen bleibt“, sagte er.