Kalifornier sitzen im Dunkeln

Energiebehörde ordnet die Teilabschaltung des Stromnetzes an. Gouverneur Gray Davies ruft den Notstand aus

SAN FRANCISCO ap/dpa/taz ■ Das gab es in Kalifornien seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Am Mittwochmittag schaltete der Leitungsnetzbetreiber Independent System Operator ohne Vorwarnung in mehreren Städten im Rotationsverfahren den Strom ab. So gingen in San Francisco, Sacramento, San José und im Silicon Valley für neunzig Minuten die Lichter aus, Fahrstühle blieben stecken und die Verkäufer griffen statt zur elektronischen Kasse wieder zu Block und Stift. Ausgenommen von der Abschaltung waren lediglich Flughäfen und Krankenhäuser. Einige Hospitäler saßen aber trotzdem im Dunkeln, weil nicht alle zur öffentlichen Versorgung gerechnet werden.

Die Energiekrise hat ihre Ursachen vor allem in der gescheiterten Deregulierung des Strommarkts in Kalifornien. Wegen festgelegter Höchstpreise mussten die Versorger den Strom unter Wert an ihre Kunden weitergeben. Inzwischen stehen die beiden größten Energieunternehmen nach eigenen Angaben kurz vor dem Konkurs und können von Anbietern außerhalb Kaliforniens nichts mehr zukaufen. Neue Kraftwerke wurden seit zehn Jahren aus Umweltschutzgründen nicht mehr gebaut, obwohl Wirtschaft und Bevölkerung gewachsen sind.

Für die Hochtechnologiefirmen aus der Boom-Region Silicon Valley hatten die Ausfälle keine größeren Auswirkungen. Dort haben viele Firmen inzwischen Anlagen zur vorübergehenden unabhängigen Stromversorgung aufgestellt. Ein Sprecher des Computer- und Druckerherstellers Hewlett-Packard sagte, die meisten Mitarbeiter würden in ihren Büros Möglichkeiten finden, trotz der Ausfälle weiterzuarbeiten. Zum Teil könnten sie von zu Hause aus arbeiten.

Unterdessen hat Gouverneur Gray Davis den Notstand ausgerufen. Er wies in der Nacht zum Donnerstag die Wasserbehörde an, auf dem freien Markt Strom zu kaufen. Zuvor hatte er einen Beschluss des Parlaments unterzeichnet, der es den Behörden erlaubt, Energie bei den Nachbarstaaten einzukaufen. Zu einem Fünftel des Marktpreises soll er an die Versorger weitergegeben werden. Diese Maßnahme wird die Steuerzahler in den kommenden Tagen mehrere Millionen Dollar kosten, für die kommenden Wochen wird sogar mit Kosten von hunderten Millionen Dollar gerechnet.

Verschärft wird die Lage durch das Winterwetter und den Ausfall mehrerer Kraftwerke durch Reparaturarbeiten. Früher produzierte Kalifornien so viel überschüssige Energie, dass damit auch der Bedarf der benachbarten Bundesstaaten Washington und Oregon gedeckt werden konnte. Inzwischen werden auch dort die Energiereserven knapp. Der in diesem Winter zu geringe Regen- und Schneefall im Nordwesten schränkt die Stromproduktion in den Wasserkraftwerken ein.

RALF GEISSLER