KABILAS STURZ BRINGT DEM KONGO NOCH KEINEN FRIEDEN
: Chaos als Chance

Er war sicher das größte Hindernis für eine Befriedung der Demokratischen Republik Kongo, aber nicht das einzige. Laurent Kabilas Sturz und vermutlicher Tod ist daher zwar ein wichtiger Fortschritt auf dem Weg zur Beendigung des Kongo-Krieges und zur Wiedervereinigung des zerrissenen Landes, aber er garantiert noch nicht das Kriegsende. Die unschöne Leichenfledderei, die jetzt von den rivalisierenden Flügeln der alten Kabila-Clique unternommen wird, ist nur ein Vorgeschmack auf die durchaus realen und blutigen Machtkämpfe, die in der Millionenstadt Kinshasa drohen.

Noch ist unklar, wer da überhaupt in Kinshasa die Macht übernommen hat. Die Ernennung von Laurent Kabilas Sohn Joseph zum neuen Staatschef durch einen abgehalfterten Regierungssprecher mutet an wie ein schlechter Witz, ist aber ein Alarmsignal. Denn damit würde sich erweisen, dass aus dem palastinternen Machtkampf eine Hardlinerfraktion als Sieger hervorgegangen ist. Sie hat Kabila nicht gestürzt, um den Krieg gegen die kongolesischen Rebellen und deren ruandische und ugandische Unterstützer zu beenden, sondern um ihn zu gewinnen.

Ob zivile und friedensbewegte Kräfte im Kongo jetzt eine Chance haben, hängt entscheidend von den Reaktionen des Auslands ab. Wer Joseph Kabila als neuen Präsidenten anerkennt, gibt einer neuen Kriegsrunde grünes Licht. Wer hingegen Frieden und die Umsetzung der bestehenden Friedensabkommen für den Kongo will, hat nur eine Wahl: die Militärcliquen in Kinshasa und in den Rebellenhauptstädten Goma, Gbadolite und Bunia ultimativ zu politischen Gesprächen ohne Vorbedingungen aufzufordern. Eine Ausrede jedenfalls, die Kabila immer benutzen konnte, um Gespräche mit seinen Gegnern zu verweigern, fällt jetzt weg – nämlich dass er Präsident einer legitimen Regierung sei, die nicht mit irgendwelchen Buschkämpfern im Solde fremder Länder an einem Tisch sitzen könne. Jetzt hat der Kongo keine legitime Regierung mehr. Hier liegt die Chance für einen Neuanfang. Viel Zeit ist dafür nicht. DOMINIC JOHNSON