Der Autor schlägt zurück

Aus dem Theaterleben gegriffene Gemeinheiten ohne Regie: Die Lügen der Papageien von Andreas Marber am Schauspielhaus  ■ Von Karin Liebe

Am Theater geht es mindestens so fies zu wie im richtigen Leben. Da wird intrigiert und gestichelt, verletzt und zurückgeschlagen, da regieren Hierarchien, Eifersucht und Neid. Andreas Marber, Jahrgang 1961, weiß ein Lied davon zu singen. Seit 1983 kennt er als Dramaturg und Dramenautor (Riefenstahl, Rimbaud in Eisenhüttenstadt) den Theaterbetrieb. In seinem Stück Die Lügen der Papageien, 1995 in Bochum uraufgeführt, hat er all die kleinen und großen Gemeinheiten zu einer satirischen Backstage-Farce gebündelt.

Kein Wort sei erfunden, Satz für Satz hätte er so immer wieder bei Proben gehört, sagt Marber. Dabei fängt es ganz harmlos an, wenn die Regisseurin dem Schauspieler gut zuredet: „Du, versuchs einfach noch mal, Licht noch mal aus“. Das hilft dem Schauspieler („Du, krampf dich jetzt nicht“), endlich seinen Schlüsselsatz über die Lippen zu bringen: „Ich bin ein Stück Scheiße.“ Wenn der Autor schließlich auf der Probenbühne auftaucht, wird es richtig fies. Sein Stück trägt nicht nur den Titel Ein Stück Scheiße, auch die Titelrolle Ein Stück Scheiße hat er extra für den Hauptdarsteller geschrieben, einzig um ihn zu demütigen. „Ich fass es nicht, der sagt das wirklich“, kreischt er beglückt auf, als der Schauspieler sich endlich so richtig in die Rolle einfühlt und gleich dreimal „Ich bin ein Stück Scheiße“ von sich gibt.

Dass der Autor in diesem gehässigen Stück Andreas heißt, ist kein Zufall. Andreas Marber spricht ganz offen darüber: Die Lügen der Papageien seien aus einer eigenen Verletztheit heraus entstanden. Vieles hätte ihn am Theaterbetrieb gewurmt, darunter auch die ewige Marter, als Autor oft erst kurz vor der Premiere bei den Proben dabei sein zu dürfen („Du, wir sind jetzt in einer Probenphase, wo das überhaupt nicht gut ist“). Eine kolossale Wut hätte ihn damals angetrieben: „Ich war obsessiv.“

Wütend hat das 1993 verfasste Stück auch andere gemacht. Zum einen das Ensemble des Stuttgarter Schauspielhauses, an dem die Uraufführung geplant war. Doch die Schauspieler votierten dagegen. Menschenverachtend und idiotisch sei die Farce. Auch Klaus B. Harms, damaliger Feuilletonchef der „Stuttgarter Nachrichten“, war nicht amüsiert. Er findet in Die Lügen der Papageien als skrupelloser Kritiker Erwähnung, „der möchte immer Klaus A. Harms sein, hat s aber nur bis zu Klaus B. geschafft“. Um Klaus B. Harms rankt sich ein realer Theaterskandal, mit dem das Stück oft in Verbindung gebracht wird. Doch Marber wiegelt ab: Er hätte zwar gewusst, dass Harms selbst ein Theaterstück verfasst hat. Doch dass er es auch dem Stuttgarter Schauspielhaus zur Aufführung angeboten hatte, sei ihm nicht bekannt gewesen. Auf jeden Fall führte diese Verquickung zu Harms' Entlassung als Feuilletonchef.

Mit der Bochumer Uraufführung unter der Regie von Leander Haussmann war Marber dann mehr als zufrieden. Doch leider blieb es für ihn „die einzig gute“ Inszenierung seines Frühwerks, das seit zwei Jahren nicht mehr gespielt wurde. Jetzt hat der Autor die Sache selbst in die Hand genommen. Seit dieser Spielzeit als Gastdramaturg beim Hamburger Schauspielhaus beschäftigt, schlug er Intendant Tom Stromberg eine Neuaufführung seines „hochnaturalistischen Stücks“ vor. Der war gleich interessiert, die Frage war nur: Wer soll das inszenieren? Marbers Wunschkanditaten Peter Stein, Peter Zadek und Luc Bondy, die einzigen Regisseure ohne „abstrahiert-modernem Inszenierungsehrgeiz und diesem ganzen Kack“, kamen nicht in Frage. Des Rätsels Lösung: Die Schauspieler übernehmen in Hamburg selbst die Regie. Das sind Sabine Orléans als Regisseurin, Thomas Kügel als Schauspieler und Jörg Ratjen als Autor. Der reale Autor ist auch mit von der Partie. Marber leitet die Proben, ohne wirklich zu inszenieren, „guckt und hilft ein kleines bisschen“. Eine ungewöhnliche Variante für ein ungewöhnliches Stück.

Premiere am 11. Januar um 20 Uhr auf der Kleinen Probebühne Schauspielhaus (Treffpunkt Kantine)