Sudans Regierung etabliert

Die Ergebnisse der jüngsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in dem afrikanischen Land mögen gefälscht sein – das Ausland will vor allem Stabilität

BERLIN taz ■ Mit der Demokratie im Sudan ist es wie mit dem berühmten Glas Wasser, das je nach Sichtweise halb voll oder halb leer ist. Waren die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vom Dezember nun „frei, fair, friedlich und ruhig“, wie die Beobachter der Arabischen Liga behaupten? Oder waren sie eine „beispiellose Fälschung“, wie der einzige seriöse Oppositionskandidat findet?

Die am Wochenende vorgelegten amtlichen Zahlen geben der Opposition Recht. Präsident Omar al-Baschir erzielte demnach bei der Präsidentschaftswahl 86,5 Prozent der Stimmen, seine Regierungspartei „Nationalkongress“ bei der Parlamentswahl sogar 97 Prozent. Und während die Opposition, die die Wahlen boykottierte, von einer realen Beteiligung von etwa zehn Prozent spricht, behauptet die Regierung, über acht von zwölf Millionen eingeschriebenen Wählern seien trotz des Bürgerkrieges in der Hälfte des Landes an die Urnen gegangen.

Sicher ist: Sudans Präsident hat die Metamorphose vom Militärputschisten zum gewählten Staatsoberhaupt geschafft. Arabische Liga und Organisation für Afrikanische Einheit sind des Lobes voll. Indem Baschir Gegenkandidaten, darunter an erster Stelle der 1985 gestürzte Expräsident Nimeiri, ein knappes Siebtel der Stimmen überließ, kann er sich sogar brüsten, demokratischer zu sein als seine Kollegen in Nachbarstaaten wie Ägypten und Libyen.

Die Rückkehr des sudanesischen Militärregimes auf die Bühne internationaler Anerkennung ist damit so gut wie komplett, wenn man kleinere Probleme wie die weiterbestehenden UN-Sanktionen und die schlechten Beziehungen zu den USA ausklammert. Mit allen Nachbarn außer Uganda und Eritrea unterhält Sudan jetzt hervorragende Beziehungen.

Dies nützt Sudans Regierung vor allem beim andauernden Bürgerkrieg im Süden des Landes. Bei den Kämpfen zwischen der SPLA-Guerilla und der Regierungsarmee um die Kontrolle des schwarzafrikanischen Südsudan ist seit 1983 fast die Hälfte der dortigen Bevölkerung getötet oder vertrieben worden. Die Überlebenden sind von der weltweit größten internationalen humanitären Hilfsaktion „Operation Lifeline Sudan“ (OLS) abhängig, die aus Kenia heraus operiert. Ein militärischer Sieg der SPLA zeichnet sich nicht ab. Jetzt setzt sich international zunehmend die Lesart der Regierung durch: Eine Spaltung des Sudan ist unakzeptabel, aber Autonomielösungen sind denkbar, sobald die Legitimität der Regierung nicht mehr in Frage steht. Ägypten, Libyen und Algerien sind in diesem Sinne diplomatisch bereits aktiv.

Selbst im Milieu der humanitären Hilfe für den Südsudan hat im vergangenen Jahr ein Sinneswandel stattgefunden. Unter Diplomaten und humanitären Helfern in Kenia wächst die Überzeugung, es sei Zeit, dass endlich mal eine Seite den Krieg im Sudan gewinne – und das wäre realistischerweise nicht die Opposition. Die in der OLS zusammengeschlossenen Organisationen haben Personal entlassen und sogar erlaubt, dass Sudans Regierung ganz offiziell ihren Funkverkehr überwachen darf – was dieser ermöglicht, gezielt Orte zu bombardieren, wo Hilfslieferungen hingeflogen werden sollen, und dann die Hilfsgüter aus dem leeren Dorf an sich zu nehmen.

Auch Deutschlands Einschätzung der Lage im Sudan wird regierungsfreundlicher. Zur Ernennung des ehemaligen FDP-Innenministers Gerhart Baum zum neuen UN-Sonderberichterstatter für den Sudan durch die UN-Menschenrechtskommission letzte Woche sagte das Auswärtige Amt, damit werde „das Engagement der Bundesregierung bei der Verbesserung der Menschenrechtslage im Sudan gewürdigt“.

Sudans neue Respektabilität hat viel mit dem Aufstieg des Landes zum Ölexporteur zu tun. Seit 1999 wird Öl aus zentralsudanesischen Feldern um al-Obeid ans Rote Meer gepumpt und über Port Sudan exportiert, vor allem nach Asien. Beteiligt daran sind vor allem Firmen aus China. Der Opposition zufolge geht die Erschließung der Ölfelder, die sich weit in den Süden hinein erstrecken, einher mit massiver Militarisierung. Als wichtigste Märkte sieht Sudans Regierung Ostasien und das Horn von Afrika.

Den USA, bisher größter Feind der sudanesischen Regierung, kann nicht daran gelegen sein, dass sich ein feindliches Land als Ölgroßmacht am Roten Meer etabliert. Es ist daher zu erwarten, dass unter dem neuen US-Präsidenten George W. Bush mit seinen engen Bindungen an die texanische Ölindustrie die Menschenrechtspolitik der Clinton-Regierung von einer an Ölinteressen orientierten Realpolitik abgelöst wird. DOMINIC JOHNSON