Blick über den Weihnachtstellerrand

Der große Jul-Navidad-Narodzenie-Christmas-Natale-Report: So tun’s die anderen am Heiligen Abend

„Kalle Anka“ schlägt Christkind

Was haben Susi und Strolch und der Stier Ferdinand mit Weihnachten zu tun? Keine Frage in Schweden. Sie sind Weihnachten. Zusammen mit Donald, Mickey, Pluto, Goofy & Co. gibt es für die SchwedInnen nichts, was weihnachtlicher ist. Nach der jüngsten einschlägigen Umfrage wird der typische Heiligabend – Mehrfachnennungen waren möglich – zu 33 Prozent vom traditionellen Fischgericht „Lutfisk“ geprägt, zu 47 Prozent vom Weihnachtsmann, zu immerhin 55 Prozent vom Weihnachtsmilchreis – und zu 72 Prozent von „Kalle Ankas Jul“. Jesus taucht in dieser Topliste gar nicht erst auf.

„Kalle Ankas Jul“ – „Donald Ducks Weihnachten“ ist eine einstündige Sendung mit Ausschnitten aus Walt-Disney-Klassikern. In immer gleicher Zusammensetzung – der Disney-Konzern hat lediglich das vertragliche Recht, jährlich einen gerade kinoaktuellen Ausschnitt einzubauen – ist das Programm Tradition und Kult zugleich. Vor vierzig Jahren erstmals ausgestrahlt, war es in Zeiten mit einem nur wenige Stunden täglich sendenden, natürlich zeichentrickfreien, dem Guten und der Volksbildung verpflichteten staatlichen Monopolfernsehen eine Sensation.

Auch wenn sich das TV-Umfeld seither massiv verändert hat – „Kalle Anka“ hat seinen Status behalten. Die Faszination für das Programm hat sich weitervererbt, und viele kluge Köpfe zerbrechen sich erfolglos den Kopf über das Warum. Denn Weihnachten kommt in den meisten Ausschnitten gar nicht vor.

Einzige Ausnahmen sind die Einrahmung mit dem Uraltklassiker Weihnachtsmann-Werkstatt am Anfang und Plutos Kampf mit A-Hörnchen und B-Hörnchen um den Weihnachtsbaum als Abschluss. Wie sich das für ein schwedisches Familienprogramm gehört, sind die Ausschnitte teilweise massiv zensiert und zusammengeschnitten: Bei Donalds Campingsurlaub ist die als offenbar für kleinere Zuschauer als allzu aufregend angesehene führerlose Fahrt des Wohnwagens über zwei Eisenbahnübergänge ersatzlos gestrichen, und auch das schwarze Puppenmädchen in der Weihnachtsmann-Werkstatt wurde als zu rassistisch entfernt.

Die Harmonie also ist vollkommen am Heiligabend zwischen drei und vier Uhr nachmittags, wenn alle Jahre wieder der unangefochtene Quotenhit läuft. Und niemand käme auf die Idee, gerade in dieser heiligen Stunde jemanden mit telefonischen Weihnachtswünschen zu belästigen. Klingelt es trotzdem, sind meine Kinder zu Recht immer absolut sicher: „Das ist aus Deutschland.“ REINHARD WOLFF