Teuere Gentech-Panne

Der Chemiekonzern Aventis möchte seinen Gentech-Mais Starlink auch für den menschlichen Verzehr zugelassen haben. Doch die Experten der US-Umweltbehörde haben noch Zweifel, ob der genmanipulierte Mais auch tatsächlich unbedenklich ist

von WOLFGANG LÖHR

Für die mit weltweiten Akzeptanzproblemen kämpfende Grüne-Biotech-Industrie war es ein erheblicher Rückschlag, der sicherlich noch einige Nachwirkungen haben wird. Seit Monaten bereits sorgt Starlink, der gentechnisch veränderte Mais des deutsch-französischen Chemiemultis Aventis, in den USA für Schlagzeilen. Erst waren es nur die mexikanischen Taco-Chips, in denen der lediglich als Viehfutter zugelassene Gentech-Mais gefunden wurde. Doch erst nachdem der Hersteller Kraft Food in einer aufwendigen Rückrufaktion 2,5 Millionen Packungen mit den betroffenen Maismehlchips aus den Verkaufsregalen wieder entfernen ließ, wurde das tatsächliche Ausmaß der Kontamination bekannt.

Nach Angaben der zuständigen US-Lebensmittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) mussten letztendlich insgesamt 297 verschiedene Maisprodukte wieder eingesammelt werden. Fast die gesamte Lebensmittelbranche, die Maismehl verarbeitet, war betroffen.

Mit dem Starlink-Skandal sehen die Kritiker der Grünen Gentechnologie ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Nicht nur das US-amerikanische Zulassungssystem habe versagt, der Fall zeige auch, dass die Freisetzung und Verarbeitung von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen nicht zu kontrollieren sei.

Aufgedeckt wurde die Kontamination der Maisprodukte nämlich nicht durch die zuständigen Behörden. „Genetically Engineered Food Alert“ (Gefa), eine Koalition verschiedener genkritischer Organisationen, hatte durch eigene, in Auftrag gegebene Untersuchungen die unerlaubte Verarbeitung des Maismehls entdeckt. Erst öffentlichen Proteste veranlassten die FDA, weitergehende Tests durchzuführen und die Rückholaktion anzuordnen.

Auch Aventis musste inzwischen eingestehen, das mit ihrem Starlink-Mais etwas schiefgelaufen ist. Das Unternehmen willigte im November in eine Vereinbarung mit dem US-Landwirtschaftministerium ein, die gesamte noch übrig gebliebene Starlink-Ernte von diesem Jahr aufzukaufen.

Für Aventis kann die Geschichte noch teuer werden. Mehrere Firmen haben bereits angekündigt, Schadensersatz einzuklagen. Geschätzt wird, dass Aventis bis zu 300 Millionen Dollar zu zahlen hat. Aventis geht von einer geringeren Summe aus. Lediglich eine Rücklage in Höhe von 100 Millionen Dollar hat der Konzern vorsorglich bereitgestellt.

Noch nicht geklärt ist, wer letztendlich schadensersatzpflichtig ist. Denn Aventis hat zwar den Gentech-Mais entwickelt, vertreibt aber selbst kein Saatgut. Dieses Geschäft wird von Saatgutfirmen betrieben, die bei Aventis eine Lizenz erworben haben. In einer Mitteilung weist Aventis dann auch schon mal vorsorglich darauf hin, dass die Veranwortlichkeiten der verschiedenen Akteure nicht geklärt seien. Mit Sicherheit wird es auch um die Frage gehen, wer versäumt hat den Farmern verbindlich mitzuteilen, dass Starlink nur als Futtermais verwendet und nicht zu Lebensmittel verarbeitet werden darf.

Für die bereits 1998 erteilte Zulassung als Futterpflanze hat Aventis mittlerweile eine vorläufige Aussetzung beantragt. Ganz verzichten auf die Vermarktung von Starlink will Aventis jedoch nicht. Ende Oktober reichte das Unternehmen erneut einen Genehmigungsantrag für Starlink ein. Der Gentech-Mais soll sowohl als Futterpflanze als auch zur Lebensmittelverarbeitung zugelassen werden.

Starlink sei gesundheitlich unbedenklich, versichert Aventis. Doch das wissenschaftliche Beratergremium der für die Zulassung zuständigen Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) ist davon nicht ganz so überzeugt. Zwar gebe es keine Beweise dafür, dass Starlink zur Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit führe, aber die letzten Zweifel seien auch noch nicht ausgeräumt, heißt es in einem Report des Expertengremiums von Anfang Dezember. Die Bedenken konzentrieren sich vor allem auf ein zusätzlich in das Pflanzengenom eingebrachtes Gen namens Cry 9 C. Dieses Gen ist für die Bildung eines Proteins verantwortlich, das den Pflanzen einen Selbstschutz gegen Insektenfraß verleiht.

Ursprünglich stammt das Gen aus der Bakterienart Bacillus thuringiensis (Bt), die dafür bekannt ist, dass sie Substanzen bildet, die für Insektenlarven tödlich sind. Bisher ist nicht erwiesen, dass diese Toxine auch bei Säugetieren wirksam sind. Aventis hat jedoch die Wildform des Bt-Gen nachträglich so verändert, dass die Wirksamkeit des Proteins auf Insektenlarven drastisch erhöht ist. Und über die Wirkung diese Substanz auf den menschlichen Körper gibt es bisher so gut wie keine Daten. Von den Experten wird daher noch ein erheblicher Forschungsbedarf eingeklagt.