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: Jetzt oder nie

Wer ist Til Schweiger? Wir kennen ihn als juvenilen Propagandisten einer ganz und gar kindischen Kriminalität, die es durch ihn zur Ultima Ratio des deutschen Kinos gebracht hat. Am schlimmsten wurde es, als er damit für französische Autos warb. Doch haben wir nicht auch Zeichen übersehen? Kleine versteckte Hinweise auf den Menschen Til Schweiger, der sich mit den letzten Dingen zu beschäftigen weiß, etwa in „Knocking On Heaven’s Door“? Es gilt, Abbitte zu leisten. Denn der Film, den er jetzt produziert hat, taucht sein bisheriges Schaffen in ein völlig neues Licht. Der vermutlich beste Enkel von allen schenkt den Alten einen Film, denen, an die keiner mehr denkt, die im Kino abgeschrieben waren. Til, das ist lieb von dir.

In „Jetzt oder nie“ geht es um drei Damen, die schon bald ans Himmelstor klopfen werden und vorher noch schnell einen knackigen Bankraub durchziehen wollen. Man könnte jetzt natürlich über „Til und seine orthopädischen Strümpfe“ lästern. Und darüber, dass sich Differenz und Komik im Ganovenfilm offenbar nur noch über Falten und krumme Buckel herstellen lassen. Aber Schweiger und sein Regisseur Lars Büchel haben den Seniorinnen Momente gelassen, die so todtraurig wie schön sind. Da sitzen die drei auf dem Friedhof und trauern den miserablen Liebhaberqualitäten ihrer Verflossenen hinterher. Und wenn Carla, die Älteste, von ihrer Kindheit erzählt, wie ihre Mutter ihr nach dem Baden immer den Rücken abgerubbelt hat, dann sieht man ihr wirklich ein bisschen beim Sterben zu.

Träume, Wünsche, Erinnerungen – der Film findet in ihren Köpfen statt. Nicht in dem von herzlosen Yuppies geführten Altersheim mit seinem skurrilen Panorama der Hinfälligkeiten. Der erste Bankraub läuft so leise ab, dass ihn keiner bemerkt. Meta döst ein, Lilli turtelt mit dem Kassierer. Beute: knapp dreitausend Mark. Zu wenig für den großen Traum von der – hoffentlich – gemeinsamen Kreuzfahrt. Ein bisschen lauter und böser müssen sie schon werden. Da geht der hanseatische Loriot-Charme der zauberhaften Damen perdu.

Für Dialoge und Drehbuch gilt das Schweiger-Prinzip: Keine Gaunerei ist zu peinlich; peinlich wäre es nur, erwischt zu werden. Nach verheerenden Schießübungen in der Heide übt sich das todesmutige Trio im Bankräuberslang („Komm schon in die Puschen, du Arschloch!“) – und schlägt zu. Der Fluchtwagen ist dann wieder ein französisches Auto, allerdings mit ungefährem Baujahr 1930. Das Leben ist ein Kreis. PHILIPP BÜHLER

„Jetzt oder nie“. R: Lars Büchel.Mit Gudrun Okas, Elisabeth Scherer, Christel Peters u. a., D 2000