„Non, rien de rien“

Parteispendenaffäre auf Französisch: Präsident Chirac hat seiner Meinung nach saubere Hände, vielmehr sieht er sich selbst als „permanentes Opfer“

aus Paris DOROTHEA HAHN

Wer in Paris die Frage stellt, ob es Schwarzgeldkassen im Lande gibt, erhält die klare Antwort: „Oui“. Und wer weiter nachhakt, wie es mit dem Vertrauen in die Politiker steht, ist schnell überzeugt, dass ein abgrundtiefer Graben zwischen den „citoyens“ und ihren gewählten Repräsentanten klafft. Der oberste aller Franzosen sieht das ganz anders. In einem lang erwarteten Fernsehauftritt erklärte Präsident Jacques Chirac am Donnerstag abend kategorisch: „Es gibt keine politische Krise.“ Und: „Frankreich ist kein korruptes Land.“

Der TV-Auftritt war nötig geworden, weil sich in den vergangenen Wochen die Schlinge um Chiracs Hals immer weiter zugezogen hatten. Der Verdacht, dass der einstige Gründungsvorsitzende der Partei RPR und langjährige frühere Pariser Bürgermeister in den 90er-Jahren persönlich in illegale Parteispenden verwickelt sei, hatte sich erhärtet. Im September war ein Video bekannt geworden, in dem ein in der Zwischenzeit verstorbener RPR-Geldbeschaffer erzählte, wie er bei Unternehmen Millionen eintrieb, die Aufträge der Stadt Paris haben wollten. In dem Mitte der 90er-Jahre aufgezeichneten Video beschrieb Jean-Claude Méry unter anderem, dass er einen Koffer voller Spendenmillionen im Beisein des damaligen Premiers Chirac abgeliefert habe. Wenige Tage vor dem EU-Gipfel von Nizza wurde dann Michel Roussin verhaftet, Exbürochef von Bürgermeister Chirac und späterer Minister. Ihm wurde vorgeworfen, für das Rathaus, also Chirac, die Gelder eingetrieben und unter anderem nach dem Wahlproporz von Paris auch an PS und KPF weiterverteilt zu haben. Inzwischen ist Roussin aber wieder frei, ohne dass er Belastendes gesagt haben soll.

In Fernsehen erklärte Chirac, er halte es „für wahrscheinlich“, dass es gelegentlich illegale Parteispenden gegeben habe. An einen im Pariser Rathaus organisierten Geldfluss in die schwarzen Parteikassen glaube er aber nicht. Er selbst habe sich qua Amt nie mit der Parteienfinanzierung befasst. Genau wie andere Parteichefs auch, fügte er perfide hinzu. Von illegalen Geldflüssen in die Kassen seiner RPR will er nichts gewusst haben.

Chirac verlangte kategorisch alle Parteispendenaffären juristisch aufzuklären und lehnte dafür jede Amnestie ab. Zur Verblüffung der Franzosen versicherte er aber, dass er selbst für keinerlei Aussage vor einem normalen Gericht zur Verfügung stehe. Angesichts seiner Rolle als oberster Garant einer unabhängigen Justiz könne er nicht gleichzeitig als Zeuge vor einen Richter treten. Just weil er ihm das Amt die eigene Zeugenaussage und damit auch Verteidigung verbiete, nannte sich Chirac im Privatsender TF1 ein „permanentes Opfer“.

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