Trügerische Ruhe auf der Heide

Der Bund ist immer noch Eigentümer des Geländes. Mit seiner Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht ihm nur bestimmte Nutzungen untersagt

von CHRISTAN RATH

Die Bundeswehr darf den Bombenabwurfplatz Wittstock in Nordbrandenburg einstweilen nicht nutzen. Dies hat gestern das Bundesverwaltungsgericht in Berlin nach jahrelangem Rechtsstreit in letzter Instanz festgestellt. Wenn die Bundeswehr an Wittstock festhält, müsste sie jetzt ein umfangreiches Planungsverfahren einleiten. Ob das Interesse an der Kyritzer Heide so groß ist, weiß das Verteidigungsministerium heute selbst noch nicht.

Aus Sicht der Bundeswehr fiel die gestrige Entscheidung allerdings noch glimpflich aus. Das Bundesverwaltungsgericht sah zumindest eine gesetzliche Grundlage für die Weiternutzung des ehemals russischen Bombenabwurfplatzes. Der Einigungsvertrag erlaube es, so der Vorsitzende Richter Günter Gaentzsch, das Gelände „für Zwecke der Bundeswehr“ weiter zu nutzen. Die Vorinstanz, das OVG Frankfurt (Oder), hatte dies noch bestritten. Nach seiner Ansicht habe der Bund als Folge des Einigungsvertrages lediglich das Eigentum an den umstrittenen Flächen übernommen.

Die Bundeswehr ist nun also nicht darauf angewiesen, dass der Bundestag die Gesetzeslage in ihrem Sinne nachbessert. Ob sich Rot-Grün dazu hätte durchringen können, wäre auch fraglich gewesen. Die Grünen sind gegen das Projekt, die SPD ist gespalten und nicht einmal Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), ein ehemaliger Wittstock-Gegner, hatte sich klar zu den Plänen seiner Luftwaffe bekannt. Nach dem Urteil muss die Bundeswehr nun aber immerhin eine „planerische Entscheidung“ treffen, bevor sie mit der Nutzung der Wittstocker Heide beginnen kann. Zuerst muss sie dabei die umliegenden Gemeinden anhören. Anschließend muss die Bundeswehr die so ermittelten Belange der Gemeinden gegen die „verteidigungspolitischen Interessen der Bundesrepublik“ abwägen. Wegen des militärischen Bezugs der Planung ist diese Abwägung nur bedingt gerichtlich überprüfbar. Mit etwas langem Atem könnte die Bundeswehr also in einigen Jahren wohl doch mit der Nutzung der Wittstocker Heide beginnen. Die Frage ist nur: Will sie das überhaupt noch? Im Verteidigungsministerium äußerte man sich gestern äußerst zurückhaltend: „Im Januar werden wir unsere Standortplanungen bekannt geben.“ Wittstock ist also nur noch ein Mosaikstein in der derzeitigen großen Bundeswehrreform.

Die weitere Verzögerung durch das gestrige Urteil könnte aus Scharpings Sicht durchaus gegen die Kyritzer Heide sprechen. Neben der Anhörung der Gemeinden müssten mit Hilfe des Landbeschaffungsgesetzes auch noch die Wege durch die Heide, die derzeit den Kommunen gehören, enteignet werden. Außerdem sind naturschutzrechtliche Fragen bislang kaum geklärt. Vieles spricht also für einen Verzicht auf Wittstock.

Wenn es nach Kläger-Anwalt Reiner Geulen geht, müsste die Bundeswehr das Gelände sogar schon bis Weihnachten räumen. Sie soll mit allen Soldaten abziehen und auch „Absperrungen, Zäune und Sperrschilder“ abbauen. Notfalls will Geulen die „Vollstreckung“ des Urteils in einem neuen Gerichtsverfahren durchsetzen. Allerdings ist der Bund immer noch Eigentümer des Geländes und das Bundesverwaltungsgericht hat ihm schließlich nur bestimmte Nutzungen untersagt.