Der Perwoll-Rassismus

In Waschsalons kann man lernen: Auch Ausländer mögen einander nicht. Wenn sie ihre „Fremdenfeindlichkeit“ nicht überwinden, wie sollen es die Deutschen schaffen?

Rassisten haben Rangfolgen: In der weißen Welt sind die Schwarzen unten, in Indien die Gelbhäutigen

„Der Fremde ist der Teufel.“ (Chinesisches Sprichwort)

Rassismus ist nicht nur ein deutsches Problem. In Deutschland wird er nur besonders wahrgenommen – wegen der Vergangenheit, des Rechtsradikalismus und des Auftretens einiger Politiker. In anderen Gesellschaften ist er auch allgegenwärtig, vielleicht subtiler und in anderer Form. Rassismus ist eine Seuche, die, solange es Menschen gibt, leider nicht auszurotten sein wird. Sogar ein Staat wie Israel ist nicht frei davon. In den 70er-Jahren übersiedelten viele indische Juden mit großem Optimismus nach Israel. Sie fühlten sich bald von der weißen jüdischen Bevölkerung benachteiligt.

Auch die Sandinisten, die für eine sozialistische Revolution in Nicaragua kämpften, waren nicht frei davon. Die schwarzen Freiheitskämpfer von der Atlantikküste wurden oft isoliert und nicht gleichberechtigt behandelt. Einundzwanzig Jahre nach der Befreiung hat sich diesbezüglich nicht viel geändert.

Aber man braucht nicht über den Tellerrand zu gucken, um festzustellen, dass Rassismus unter Ausländern sehr verbreitet ist. Im Zuge des Wohlstands schaffte ich mir eine Waschmaschine an. Das war ein Fehler. Dadurch ging mir die Multikulti-ultrarassistische Welt des Waschsalons verloren. Wer nackten Rassismus, besonders unter Ausländern, erleben möchte, braucht nur seine schmutzige Wäsche zusammenpacken und diese 200 m² Deutschland zu betreten.

Dort ist jeder gegen jeden. Die Türken mögen weder Kurden noch Inder, Sri-Lanker, Tschechen, Italiener oder Russen. Die Kurden wollen sie direkt ins Arbeitslager schicken. Mit den Pakistanern kommen sie einigermaßen klar, abhängig davon, welche islamische Glaubensrichtung sie vertreten.

Für die Pakistaner und Afghanen sind die Inder seit je primitiv und unsauber. Ein Witz soll dies untermauern. Gorbatschow wurde am Flughafen von Indira Gandhi abgeholt. Sie fuhren an einigen Slums vorbei, wo viele Menschen am Straßenrand hockten, um ihr morgendliches Geschäft zu erledigen. Gorbatschow empört zu Frau Gandhi: „Du sagtest doch, ihr wäret so zivilisiert. Und was sehe ich hier?“ Ein paar Monate später wurde Frau Gandhi bei einem Gegenbesuch von Herrn Gorbatschow vom Flughafen abgeholt. Unterwegs sieht Frau Gandhi einen einzigen Menschen bei seinem morgendlichen Geschäft in den Feldern. Ihre Chance, es Gorbatschow heimzuzahlen: „Na, Michael? Sieh mal da, dein progressives Russland!“ Gorbatschow befiehlt empört dem Chauffeur anzuhalten und sich zu erkundigen, wer dieser Mensch sei, der dem Ruf des Vaterlandes Schaden zufügt. Der Chauffeur kommt zurück und druckst herum, bevor er sagt: „Es ist mir peinlich, aber es ist der indische Botschafter.“ Zurzeit werden Gorbatschow und Gandhi ausgetauscht gegen Kanzler Schröder und Indiens Premier Vajpayee.

Die Osteuropäer betrachteten uns Asiaten als Schmarotzer. Im Waschsalon fühlte sich eine Frau aus Krakau von uns Tandil-Benutzern belästigt. „Man benutzt Perwoll für 30 [o]-Wäsche, Dash für 60 [o]und Weißer Riese für Kochwäsche“, sagte sie belehrend und empfahl uns zudem: „Ab nach Zirbirien (Sibirien).“

Einer der Waschsalon-Inder, Narayan Rangnekar, fühlt sich zurzeit in Deutschland sehr wohl. Als fanatischer Hindu möchte er alle Mulime der Welt in die Gaskammer schicken. Besonders gut gelaunt war er, als Berichte über Massaker an Muslimen in Bosnien-Herzegowina durch die Presse gingen. Sein großes Verlangen ist es, Indien muslimfrei zu machen. Obwohl die jetzige indische Regierung mehr oder weniger das Gleiche will, dürfte dies schwierig werden. Mit 120 Millionen Muslimen ist Indien der zweitgrößte muslimische Staat der Welt. Na ja, wie bei allen Rassisten ist Narayans Leben in Deutschland voller Widersprüche: Er isst gern Rindfleisch, trinkt jeden Abend Korn und zwei Liter Bier, was der Hinduismus streng verbietet. Leidenschaftlich hört er klassische indische Musik, leider sind viele dieser Musiker Muslime. Nebenbei: Für ihn sind alle Frauen, die Lippenstift tragen und rauchen, selbstverständlich „Nutten“.

Erschreckend ist, dass inzwischen Fremdenfeindlichkeit auch bei ausländischen Kindern weitverbreitet ist. Es ist schon gravierend, wenn ein Kind aus Sri Lanka seinen Eltern mitteilt, dass es nicht in eine bestimmte Schule eingeschult werden möchte, weil dort zu viele Türken wären. Was bewegt ein kasachisches Aussiedlerkind, das kaum Deutsch spricht, seinen farbigen Fußballgegner als „Du Arab!“ zu beschimpfen? Die nahe liegende Erklärung wäre, dads in seinem Kasachstan alle farbigen Menschen unter der Rubrik „Araber“ eingeordnet werden und aus unerfindlichen Gründen auf dem untersten Rang der Gesellschaft landen. Aber dies ist wiederum nicht nur ein kasachisches Problem. Auf der ganzen Welt hat Rassismus eine eigenartige, pauschalisierte Rangfolge. In der weißen Welt sind die Schwarzen an unterster Stelle. Dann folgen die Braunhäutigen. Unter „Sonstige Neger“ ordnet man alles ein, was chinesisch aussieht.

Aus diesen groben Gruppierungen werden in den jeweiligen Ländern dann Subrangfolgen der Prügelknaben gebildet. In Deutschland die Türken, in Frankreich die Algerier, in Italien die Albaner ... Um diese Pauschalisierung weiterzuführen sind auch auf dem indischen Subkontinent die Schwarzafrikaner an unterster Stelle, gefolgt von den Gelbhäutigen.

Besonders gut gelaunt war ein fanatischer Hindu, als er von Massakern an Muslimen in Bosnien hörte

Dafür befinden sich für viele die Weißen immer noch ganz oben in der Hierarchie. Viele Inder, die die Kolonialzeit erlebt haben, bewundern die Weißen immer noch. Als ich in den 60er-Jahren meine journalistische Laufbahn bei der Times of India begann, wurde mir mit Stolz und Sehnsucht oft erzählt, dass man früher nicht einmal mit den Engländern am gleichen Tisch sitzen durfte. In der gleichen Times of India gibt es jeden Sonntag die Rubrik „Heiratswünsche“. In der Regel suchen die Eltern Heiratspartner für ihre Söhne und Töchter. Ohne Ausnahme müssen die Gesuchten gebildet sein, gute Umgangsformen haben und möglichst hellhäutig sein. In keinem Land der Erde wird so viel Geld ausgegeben für Präparate, die braune Haut heller macht. Was für eine Perversität! Die unerwünschten Engländer wurden vertrieben, aber man sehnt sich nach deren Hautfarbe.

Mal subtil, mal plump stellen Politik und die Medien klar, Indien gehört den Hindus. Gewalt gegen Muslime und Christen wird einfach geduldet. Und so ist es auch in der Türkei. Angesichts eines möglichen EU-Beitritts hielt man dort die panislamischen Tendenzen unterm Deckel und zeigt sich weltoffen.

Was sich in meinem Waschsalon abspielt, ist die Fortsetzung dieses Denkens und dieser Politik. In den Zeiten des Rassismus in Deutschland ist es eine Tragödie, dass die Ausländer keinen geschlossenen Widerstand leisten. Wenn die Ausländer nicht für sich kämpfen, sind sie verloren. Denn die Deutschen bekämpfen Rassismus nur in Talkshows (mit Quotennegern) und auf Demos. ASHWIN RAMAN