Der Chinaladen

Ein Treffpunkt für China-Interessierte mit kulturellen Besonderheiten und vielen literarischen Anregungen

Was mit dem Reich der Mitte assoziiert wird, gibt es im Chinaladen – in Buchform. Das Geschäft am Bayerischen Platz in Schöneberg hat das umfangreichste Buchsortiment der Stadt über China, Taiwan, Hongkong, Tibet und die Mongolei: Reiseführer, Lehrbücher, Lexika, Bildbände, Sachbücher, Belletristik und Zeitschriften. Dazu ein Antiquariat. Die meisten Bücher sind auf Deutsch geschrieben, aber man findet auch chinesischsprachige Werke und Zeitschriften.

Das Geschäft wurde bereits 1979 von der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft Berlin e. V. gegründet. Der Verein gehörte einst zu einem pekingnahen Bundesverband, der sich jedoch nach der blutigen Niederschlagung der Studentenbewegung 1989 auflöste. Seitdem gehen die in vielen Städten weiterexistierenden deutsch-chinesischen Freundschaftsgesellschaften unabhängige Wege mit einem unterschiedlichen Verhältnis zur offiziellen Politik der Volksrepublik. In der Berliner Gesellschaft mit heute 130 zum Großteil deutschen Mitgliedern sind China-Interessierte und -Reisende, deutsch-chinesische Paare und Sinologen organisiert. Ihr politisches Spektrum ist recht breit, birgt aber in der Praxis heute nur noch wenig Konflikte. „Die Mitglieder sind mehr kultur- als politikinteressiert“, sagt die stellvertretende Vereinsvorsitzende Karola Wodtcke. Man verkauft Werke von Mao Tse-tung ebenso wie die von und über Dissidenten, Bücher, die den Dalai Lama preisen, wie solche, die ihn kritisieren.

Wodtcke gehört mit zu der fünfköpfigen Gruppe, die den Laden ehrenamtlich betreibt. Denn der ist weniger ein gewinnorientierter Buchladen als vielmehr eine Treffpunkt für China-Interessierte. Angeschlossen ist ein Seminarraum, in dem chinesische Lehrer chinesische Schrift und Sprache, Kalligrafie und zurzeit die medizinische Tuina-Massage unterrichten. Dort finden auch Veranstaltungen statt, deren Themenspektrum, wie etwa im letzten Quartal, von Feng Shui in Europa bis zur Lesung mit einer jüdischen Zeitzeugin über ihr Schanghaier Exil während des Zweiten Weltkriegs reicht. Das Programm wird in der „Berliner Chinapost“ verschickt, dem dreimal jährlich erscheinenden Veranstaltungskalender des Ladens. Die Redaktion der Zeitschrift Das neue China, die alle drei Monate bundesweit aus unabhängiger Perspektive über Entwicklungen in chinesischen Gesellschaften berichtet, trifft sich ebenfalls im Chinaladen.

Zum Sortiment des Ladens gehören auch Postkarten, Musik-, Sprachkassetten und -CDs, Kalligrafiepinsel, Reispapier, Porzellangeschirr und -figuren, Spielzeug und Qi-Gong-Kugeln. Die bittere Ironie ist, dass, sobald etwas aus China in Deutschland richtig beliebt wird, es von vielen Geschäftsleuten aufgegriffen wird, die dann letztlich die das Geschäft machen, während der Chinaladen nur kurzfristig einen Vorteil hat. „Feng-Shui-Bücher gingen vor zwei Jahren sehr gut“, meint Wodtcke. Einst waren bei den Kunden auch Qi-Gong-Kugeln sehr beliebt, die man inzwischen in vielen Geschäften und sogar auf Flohmärkten kaufen kann. Nach wie vor nur im Chinaladen gibt es hingegen Steinabreibungen auf Reispapier.

SVEN HANSEN

Geschenktipp: Bilder mit chinesischen Motiven kosten um 25 Mark.Chinaladen, Innsbrucker Straße 3, 10825 Berlin (U-Bahnhof Bayerischer Platz), Tel. (0 30) 8 54 57 44, Öffnungszeiten Mo.–Fr. 15.30–19 Uhr