hotelgäste sind potenzielle verbrecher
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von RALF SOTSCHECK

Haben Sie sich schon mal einhändig gewaschen? In britischen Hotels der unteren Preisklasse – die immer noch hundert Mark kosten – ist das notwendig, denn die Besitzer misstrauen ihren Gästen zutiefst. So gibt es keine herkömmlichen Wasserhähne, sondern Knöpfe, auf die man kräftig drücken muss, damit das Wasser läuft. Lässt man los, versiegt das Wasser. So muss man mit einer Hand den Knopf festhalten und mit der anderen Wasser schöpfen. Glauben die Hoteliers, dass ihre Gäste sonst das Wasser Tag und Nacht laufen lassen?

Auch sonst trauen sie den Reisenden offenbar jede Schlechtigkeit zu. Mein Hotel in Liverpool verlangte Vorauszahlung. Für jedes Bier, das auf die Hotelrechnung sollte, musste ich unterschreiben und meinen Ausweis vorzeigen. Im Zimmer war alles doppelt gesichert: Lampen, Bilderrahmen, Kofferablage, Fernseher. Die Fernbedienung war mit einem Spiralkabel am Bettpfosten montiert. Da die Batterien schon recht schwach waren, musste ich das Kabel fast bis zum Zerreißen dehnen, um möglichst nah an den Fernseher zu gelangen.

Die Bügel im Schrank waren an der Stange festgeschweißt, selbst die Nachttischchen waren am Bett angeschraubt. Gibt es tatsächlich Menschen, die Nachttische aus Hotels entwenden? Eine Klobürste lässt sich allerdings nicht festschrauben, weil sie dann ihren Zweck nicht mehr erfüllen könnte. So gab es vorsichtshalber gar keine. Nur die Bibel lag lose herum. Wer sich dafür interessiert, beachtet vermutlich auch das siebte Gebot. Weil nur noch Doppelzimmer frei waren, ich aber alleine reiste, kam eine Angestellte auf das Zimmer und nahm mir jeweils einen Teebeutel, eine Kaffeeportion, einen Begrüßungskeks, ein Stück Seife und die Hälfte der Handtücher wieder weg. Damit ich mich mit der anderen Hälfte nicht aus dem Staub machte, stürzte die Angestellte morgens um acht mit einem Nachschlüssel in mein Zimmer und verlangte die Herausgabe der Handtücher. Ach, ich sei noch gar nicht gewaschen? Sie würde in einer halben Stunde noch mal nach den Handtüchern sehen.

Tassen und Löffel waren aus Plastik, die Schreibtischunterlage aus Papier. Und wann geheizt wurde, bestimmte der Hotelier: Der wie die Kronjuwelen geschützte Heizlüfter lief über einen separaten Stromkreis, dem man von der Rezeption aus den Saft abdrehen konnte. Ab Mitternacht haben die Gäste eben im Bett zu sein.

In einem Hotel in Wales hatte man sogar das Telefon gesichert. Der Stecker war hinter dem Bett mit zehn Streifen Leukoplast an der Dose festgeklebt, daneben ein handgeschriebenes Schild: „Hände weg vom Stecker!“ In Inverness dagegen, wo in meiner Dachkammer auch alles hoch gesichert war, gab es kein Telefon auf dem Zimmer. Aber ich habe den Hotelier dennoch ausgetrickst: Der Münzapparat in der Lobby war nämlich mit einem ganz normalen Telefonstecker ans Netz angeschlossen. Nachts um zwei, als alles schlief, schlich ich mich mit meinem Computer nach unten, stöpselte mein Modem in die Münztelefondose und surfte bis zum Morgengrauen im Internet.