Japans Gottkaiser angeklagt

Seit gestern läuft in Tokio der Prozess vor dem Frauentribunal. Es wirft Japans Kaiser Hirohito die Mitschuld an sexueller Versklavung von Frauen im Zweiten Weltkrieg vor

TOKIO taz ■ Als wäre die koreanische Halbinsel nicht mehr geteilt, haben Juristen und betroffene Frauen aus Nord- und Südkorea gestern in Tokio gemeinsam vor einem inoffiziellen Frauentribunal zur Zwangsprostitution des japanischen Militärs ausgesagt. In einer dreistündigen professionellen Multimediapräsentation lieferten Rechtsexperten und betroffene Frauen aus beiden Teilen Koreas zahlreiche Beweise für die sexuellen Kriegsverbrechen der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg.

In traditionelle koreanische Gewänder gekleidetete Greisinnen aus Nord- und Südkorea bezeugten der US-amerikanischen Gerichtsvorsitzenden Gabrielle McDonald die damals an ihnen begangenen Verbrechen. Einträchtig warfen die koreanischen Juristen den japanischen Herrschern Rassismus vor.

Zuvor hatte die Chefanklägerin des internationalen Tribunals, die Amerikanerin Patricia Viseur-Sellers, den verstorbenen Kaiser Hirohito und den damaligen Premier, General Hideki Tojo, schwerer Kriegsverbrechen an Frauen beschuldigt. Zusammen mit anderen japanischen Politikern und Militärs seien sie vor und während des Kriegs für Vergewaltigungen und sexuelle Sklaverei in Truppenbordellen verantworlich gewesen. Dies seien Verbrechen gegen die Menschlichkeit, so Viseur-Sellers, die sonst die Strafgerichtshöfe für Exjugoslawien und Ruanda in Fragen geschlechtsspezifischer Gewalt berät.

Den Angeklagten warf Viseur-Sellers einen Verstoß gegen die Antisklaverei-Konvention von 1926 vor. Dem damaligen Gottkaiser hielt sie vor: Wenn er die Zwangsprostituion nicht konzipiert oder angeordnet habe, hätte er sie zumindet leicht verhindern können. Frauen im Krieg vor Vergewaltigungen zu schützen habe schon damals zum Kern des Völkerrechts gehört.

Mit der Verlesung der Anklage nahm das Tribunal gestern in Tokio seine Arbeit auf. Japan habe bis heute keinen Kriegsverbrecher selbst verurteilt, sagte Yayori Matsui vom japanischen Organisationskomitee zur Eröffnung. Und im Unterschied zu Deutschland sei nach 1951 überhaupt kein japanischer Kriegsverbrecher mehr verurteilt worden. Das Tribunal will die Verantwortung der damaligen Regierung für die Zwangsprostitution von 200.000 Frauen in den eroberten Gebieten nachweisen. Damit soll Japans heutige Regierung zu einer Entschädigung und aufrichtigen Entschuldigung gedrängt werden.

Die Regierung hat sich zum Tribunal bisher nicht geäußert. Das Büro des Ministerpräsidenten habe auf eine Einladung nicht reagiert, sagten die Organisatorinnen. Als Pflichtverteidiger trat gestern der japanische Menschenrechtsanwalt Tsuguo Imamura auf. Er verwies darauf, dass alle Hauptangeklagten tot seien. Das Tribunal leiten drei Richterinnen und ein Richter aus vier Kontinenten. Den Vorsitz führt die frühere Präsidentin des UN-Strafgerichts für Exjugoslawien, Gabrielle McDonald. Bis morgen werden zahlreiche ehemalige Zwangsprostituierte als Zeugen hören. Ein Urteil wird für Dienstag erwartet. SVEN HANSEN

taz-mag Seite VI