Hart gerungen, nichts erreicht

Der Den Haager Weltklimagipfel ist an den unvereinbaren Positionen von EU und USA gescheitert. Umweltaktivisten sind enttäuscht und verärgert

aus Den Haag MAIKE RADEMAKER

Um den letzten Funken Hoffnung zu begraben, nahm sich Jan Pronk, niederländischer Umweltminister und Präsident der Weltklimakonferenz in Den Haag, ausführlich Zeit. Er redete erst über die Anstrengungen der letzten Tage, über das Klima und über den Klimaschutz, zitierte dann noch einen niederländischen Dichter, bevor er nach zweiwöchigem Verhandlungsmarathon aussprach, was tausende befürchtet hatten: „Wir haben uns nicht einigen können.“ Das Stimmengewirr in den Gängen des Kongresszentrums, das Rennen und Hasten, Rufen und Fragen, kam in der Minute, als Pronks Gesicht dieses letzte Mal auf den Monitoren erschien, komplett zum Erliegen. Der Weltklimagipfel war gescheitert, auch wenn die Politiker, übermüdet, blass, mit tiefen Ringen unter den Augen, in den folgenden Abschlussreden das Wort Scheitern nie in den Mund nahmen. Das 1997 entworfene Kioto-Protokoll, wonach die Industriestaaten ihre klimaschädigenden Emissionen bis 2012 um 5,2 Prozent unter das Maß von 1990 senken müssen, schwebt weiter im rechtsfreien Raum und kann nicht ratifiziert werden.

Pronks Eingeständnis war ein diplomatischer Kampf vorausgegangen, der seinesgleichen sucht. Noch Minuten vorher war ein Gerücht im Umlauf, dass es einen neuen Vorschlag gebe, mit dem die offensichtlich unvereinbaren Positionen der USA und der EU doch noch einmal zusammenfinden würden. Zehn Minister, so hieß es, säßen nach über 24 Stunden ohne Schlaf, nach dutzenden bilateralen Gesprächen zusammen und verhandelten. Vergebens. „Das ist ein schwerer Rückschlag für den Klimaschutz“, sagte Bundesumweltminister Jürgen Trittin zu dem Ergebnis. Er hatte am selben Morgen noch einen – ebenfalls abgelehnten – Vorschlag eingebracht.

Basis für die Verhandlungen der letzten 48 Stunden war das am vergangenen Mittwoch von Jan Pronk eingebrachte Kompromisspapier. Mit seinem Entwurf hatte der Verhandlungschef nach den ersten drei Tagen ergebnisloser Gespräche versucht, noch einmal Bewegung in die Positionen zu bringen. In seinem 14-seitigen Vorschlag ging er allerdings aus Sicht der EU entschieden zu weit auf die Forderungen der USA ein. So hätten die USA, wie gewünscht, bewirtschaftete Wälder und Äcker als Kohlenstoff-Speicher anerkannt bekommen und entsprechend weniger dafür tun müssen, die Emissionen der einheimischen Industrie zu reduzieren.

Bei anderen strittigen Punkten war Pronk in seinem Entwurf schwammig geblieben: So sollten die Länder ihre Verpflichtungen „in erster Linie“ im eigenen Land erfüllen. „Mit solchen Begriffen kann man dutzende Sprachwissenschaftler jahrelang beschäftigen“, ärgerte sich Stephan Singer, Klimaexperte beim WWF. Die USA wollten keinerlei Anweisung, wo sie die Emissionen einsparen dürfen. Nur die Opec- Länder hätten nach diesem Papier wirklich verloren: Eine Entschädigung für entgangene Gewinne aus der Ölproduktion war nicht vorgesehen. Mit seinem Papier beseitigte Pronk nicht die schon im Kioto-Protokoll interpretationsbedürftigen Abschnitte, sondern fügte neue hinzu. Nach Berechnungen von EU und Umweltschützern hätte sein Vorschlag nicht weniger, sondern mehr Emissionen erlaubt.

Auch die Strategie, wenigstens Japan und Russland zu einem Kompromiss zu bringen und die USA schlicht außen vor zu lassen, schlug fehl. Zuletzt versuchte Pronk seinen Vorschlag damit zu retten, dass es auf dessen Basis ein „politisches Papier“ geben solle. Die Details sollten auf eine spätere Konferenz verschoben werden. Dass diese Strategie, wenigstens mit irgendeinem für die Weltöffentlichkeit sichtbaren Ergebnis aus der Konferenz herauszukommen, ebenfalls scheitern musste, war klar: Es gibt bereits eine politische Vereinbarung – das Kioto-Protokoll selbst.

Die Enttäuschung war am Ende groß, besonders bei den hunderten Umweltschützern, die ebenfalls an der Konferenz teilgenommen hatte. Sie hatten zwei Wochen lang nicht nur für den Klimaschutz gesungen, US-Chefunterhändler Frank Loy mit einer Torte beworfen, Wetten abgeschlossen, Sanddeiche gebaut und zahlreiche Pressekonferenzen veranstaltet. Mit einem über Jahre angesammelten Fachverstand hatten sie auf den Gängen auch immer wieder ratlosen Delegierten Interpretationen für undurchsichtige Forderungen gegeben und damit Durchblick verschafft. Bereits einen Tag vor den endgültigen Worten Pronks verschaffte sich der Kanadier Tooker Gumkry Luft für seinen Frust: Er verbrannte mitten im Kongresszentrum öffentlich seinen Pass.