Digital gegen Armut

Bei einer Anhörung der SPD-Grundsatzkommission fordern internationale Experten ein „e-velopment“ als Antwort auf die Globalisierung

von BEATE WILLMS

Als Bill Gates, Microsoft-Gründer und reichster Mann der Welt, kürzlich auf einer Expertenkonferenz gefragt wurde, was die Ärmsten dieser Welt von den neuen Informationstechnologien haben könnten, sagte er: „Wer mit einem Dollar pro Tag auskommen muss, für den hat das Internet keine Bedeutung.“ Die internationalen Experten, die die SPD-Grundsatzkommission am Mittwoch zu einer Anhörung „Globalisierung und ihre Folgen“ eingeladen hatte, kamen zu einem anderen Ergebnis.

„Der Zugang zu IT würde in den ärmsten Ländern einiges verschieben“, erklärte Mark Malloch Brown vom UN-Entwicklungsprogramm (UNDP). So könnte nicht nur die Kluft zwischen Nord und Süd verringert werden, auch innerhalb der jeweiligen Gesellschaften würden sich die Machtverhältnisse verändern – „hin zu mehr Bildung und Demokratie“. Michael Schwemmle, Geschäftsführer der Input GmbH, einer gewerkschaftsnahen Beratungsfirma, forderte „ein e-velopment“.

Die Experten konnten dabei konkrete Erfahrungen vorweisen. So habe es in Ägypten gezielte IT-Schulungen gegeben, die es nicht nur Regierungsbeamten im ganzen Land ermöglichen, sehr viel schneller an Informationen und Richtlinien aus Kairo zu gelangen. Auch Antragsteller können Formulare und Pläne direkt abrufen und korrupte Stellen umgehen. Ähnlich neue Möglichkeiten eröffnete ein Projekt der indischen Entwicklungsbank Grameen in Bangladesch. Sie halfen Händlerinnen bei der Finanzierung von Leasingverträgen für Mobiltelefone, die sie wiederum – kostendeckend – im Dorf weitervermieteten. „Hühnerzüchter konnten sich über die Preise informieren und verkauften beim nächsten Markt nicht mehr unter Preis“, berichtete Schwemmle. Die Telefone seien nicht nur ökonomisch von Nutzen gewesen, sondern hätten auch bei Überschwemmungen und Erkrankungen gute Dienste geleistet.

Allerdings mussten die beiden Experten zugeben, dass es bislang nur eine Reihe von Einzelbeispielen gebe und die Ausgangsposition „denkbar schlecht“ sei: In New York gibt es mehr Internetanschlüsse als auf dem gesamten afrikanischen Kontinent, in Finnland mehr als in Lateinamerika und der Karibik zusammen. Drei von vier Webseiten sind in englischer Sprache. In Indien hat nicht einmal jeder 10.000ste Einwohner ein Mobiltelefon.

Schwemmle sprach sich deshalb für ein dreigleisiges Konzept aus: Verbessert werden müssten „connectivity, capacity und content“. Es geht also nicht nur darum, die Infrastruktur aufzubauen, die Menschen müssen auch lernen, die technologischen Möglichkeiten zu nutzen, und sie brauchen ein Angebot, das ihren Bedürfnissen entspricht. Hoffnung setzte er dabei auf eine bereits gestartete supranationale Initiative dot.force und afrikanische Projekte. Da „das Zeitfenster wegen der schnellen Entwicklung sehr schmal“ sei, brauche die Initiative auch nationale Unterstützung. Auch die Bundesregierung müsse sich überlegen, ob sie ein „Bündnis für e-velopment“ anstoßen könne, in das dann auch Siemens als Marktführer in Südafrika gehöre.