Kleine Reisen in die Hemmungslosigkeit

■ Bremerhaven gönnt sich ein bundesweit einmaliges Projekt: Die Tänzerin Claudia Hanfgarn unterstützt Schulen, die bei sich Tanz-Theater etablieren wollen

Eine Probenstunde für die Presse: 16 SchülerInnen sitzen auf dem Boden in der Aula der Körner-Schule im Zentrum Bremerhavens und warten auf ihren Einsatz. Claudia Hanfgarn macht Musik an und gibt die ersten Anweisungen. Sie sollen ihre Füße bewegen, „schaut mal, was man mit ihnen machen kann“, sie sollen auf Füße und Hände gestützt den Körper bewegen.

Von Übung zu Übung wird es einen Grad schwieriger, und die Jugendlichen werden mutiger. Sie tanzen sich locker, bis die ersten Bilder entstehen. „Schön wäre, wenn ihr die Qualität einer Raubkatze in der Sonne habt“, sagt Claudia Hanfgarn, und alle versuchen sich wie eine Raubkatze am Boden zu bewegen. „Ich möchte, dass ihr es euch mal schwer macht“, sagt die Tänzerin vor der letzten Übung und am Schluss klatschen alle spontan Beifall.

Die in Bremerhaven lebende Tänzerin ist vorerst für ein Jahr zur Lehrerin geworden. Nach langer Vorbereitung hat das Schulamt ein tanzpädagogisches Projekt aus der Taufe gehoben, das bundesweit einmalig sein dürfte. TAPST nennt sich das Angebot etwas zungenbrecherisch umständlich, ausgeschrieben: Tanzpädagogisches Projekt Schul-Tanz. Im finanziellen Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme hat die Stadt die Arbeitskraft der Tänzerin gekauft, um LehrerInnen und MitarbeiterInnen aller städtischen Einrichtungen die Möglichkeit zu geben, sich professionelle Unterstützung in Sachen Tanz-Theater zu holen.

Claudia Hanfgarn arbeitet bereits seit Jahren mit Jugendlichen in Workshops und punktuellen Schulprojekten. Ihre direkte, fordernde und stets freundliche Art kommt an. Die SchülerInnen der Probenstunde bestätigen das. „Hier dürfen wir uns bewegen, wie wir wollen, wir werden nicht in eine Rolle hineingedrängt“, sagt die 17-jährige Nadja. Und Anna-Lena, 18, ergänzt: „Ich habe alles vergessen, auch die Leute um mich herum, ich empfand es wie eine kleine Reise, auf der ich meine Hemmungen fallenlassen konnte.“ Melanie (16) ist angetan von dem „Dialog ohne Sprache“, den sie im Tanz mit einem Partner erfinden muss. Wir lernen uns öffnen, sagen die SchülerInnen einhellig.

Claudia Hanfgarn hat für ihr Projekt die nicht genutzte Aula im dritten Stock eines wilhelminischen Schulgebäudes zur Verfügung gestellt bekommen. Aber der hässliche Bau soll niemanden abhalten, in ihr Studio zu kommen. Jeden Montag bietet sie Kurse jeweils für Jugendliche (ab 14) sowie für Erwachsene an. An den übrigen Tagen der Woche ist sie abrufbar für Schulen aller Jahrgänge, für Einzelprojekte, Kollegien, für Anregungen und Hilfen, die dem Tanz einen Stellenwert neben und im Unterricht geben können. Claudia Hanfgarn wurde in London an der Central Scool of Ballett und in Hannover an der Hochschule für Musik und Theater ausgebildet.

Mit ihrem tanzpädagogischen Engagement verzichtet sie nicht auf ihre künstlerische Karriere. Wie vor zwei Jahren ihr bisher erfolgreichster Solo-Abend „Das kleine Schwarze“ wird auch ihr neues Tanzprogramm im Theater im Fischereihafen (TiF) Premiere feiern. Geplant ist das für Februar 2001. Hans Happel

Kontakt zum TAPST-Projekt knüpft man unter Tel.: 0471/93 13 186 und der Mailadresse tapst§hanfgarn.de