Der Dribbler mit dem Doppelpass

Erst wurde er deutscher Rudermeister. Wegen einer Rückenkrankheit wechselte Teo Öztürk zum Basketball. Erneut deutscher Meister, zog der Berliner türkisch-bosnischer Herkunft nach Istanbul und wieder zurück

von ANDREAS SPANNBAUER

Als der deutsche Basketballmeister Alba Berlin Ende Oktober gegen Ülker Istanbul knapp verlor, hatte einer der Albatrosse einen besonderen Kampf hinter sich: Teoman „Teo“ Öztürk, dienstältester Spieler bei Alba, hatte zuvor drei Jahre lang für Ülker den Ball in den Korb befördert. Und vor seinem Intermezzo in Istanbul hatte er wiederum bei Alba gedribbelt.

Der 2,08-Meter-Mann, in Berlin-Spandau geborener Sohn eines türkischen Vaters und einer bosnischen Mutter, hatte nach dem Meisterschaftstitel mit Alba 1997 eine neue Herausforderung gesucht. Der türkische Teil seiner Familiengeschichte und die damit verbundenen Sprachkenntnisse führten ihn nach Istanbul. Doch finanzielle Differenzen mit dem Management – den Spielern wurden bei laufenden Verträgen die Gehälter gekürzt – ließen Öztürk nach Berlin zurückkehren.

Seinen kampfbereiten Center, der am 5. Dezember seinen immerhin 33. Geburtstag feiert, verdankt Alba urspünglich der Scheuermann-Krankheit. Das Leiden, in medizinischer Fachterminologie Adoleszentenkyphose, bei dem es im Jugendalter zu einer Verknöcherungsstörung der Brust- und Lendenwirbelsäule kommt, kann durch die Anlegung eines speziellen Rumpfgipses oder durch Bewegungsübungen therapiert werden. Öztürks Rückenprobleme begannen 1988. Er entschied sich für eine damals noch etwas unbekanntere Variante der Bewegungsübungen: Beim TuS Lichterfelde warf er fortan einen Ball in einen 3,05 Meter hohen Korb.

Die Teenagerkrankheit hatte gerade erst eine andere sportliche Karriere zunichte gemacht. 1985 war Öztürk mit dem Ruderklub BRK Brandenburgia Deutscher Meister im Zweier geworden und hatte bei der Junioren-Weltmeisterschaft immerhin den fünften Platz erreicht. Doch der rückengeplagte Öztürk stellte die Ruder in die Ecke und beschloss pragmatisch, es sei „vielleicht Zeit, noch einmal etwas anders zu machen“.

Spät berufenes Talent

Ein Mitschüler seiner älteren Schwester erzählte dem 1968 geborenen Öztürk vom TuS Lichterfelde, in der Branche kurz und liebevoll „Tusli“ genannt und heute Stammreservoir der Alba-Nachwuchstalente. Seine Körpergröße sorgte ohnehin für die Affinität zum Basketball. Öztürk kam, spielte mit TuS Lichterfelde in der Regionalliga und siegte.

Als 20-Jähriger war er für die Korblegerbranche, in der die Vorauswahl für eine Profikarriere bereits im Schulalter beginnt, schon ziemlich angegraut. Ambitionen auf eine zweite Sportkarriere hatte Öztürk keine: „Ich dachte damals nicht im Traum an eine Profilaufbahn.“ Dennoch machte sein Trainer den damaligen Alba-Coach Faruk Kulenovic schon wenig später auf das spät berufene Talent aufmerksam. 1991 landete Öztürk in der Basketball-Bundesliga.

In den folgenden Jahren arbeitete Öztürk am kometenhaften Aufstieg von Alba mit. 1993 wurde er in die Nationalmannschaft berufen, die im gleichen Jahr die Europameisterschaft nach Deutschland holte. Zwei Jahre später gewann Alba den Korac-Cup und damit als erster deutscher Verein einen Europapokal.

Eine Minute zum Glück

Dabei musste Öztürk lange Zeit damit kämpfen, nur immer als zweiter Center ins Spiel zu kommen. Erst bei Ülker Istanbul spielte er regelmäßig von Anfang an. Ein Problem sah der sympathisch ruhige Basketballer darin nicht. Bei der Europameisterschaft reichte ihm schon eine Minute Spielzeit zum Glück: „Es ist eben meine Rolle, von der Bank zu kommen.“ Heute ist Öztürk bei Alba der Spieler mit der längsten Mannschaftszugehörigkeit, außerdem der Zweitgrößte, der Zweitälteste und der Schwerste. Schon vor seiner Zeit in Istanbul galt der gelassene Öztürk als Integrationsfigur. Daran hat sich wenig geändert.

Viele Mitspieler kennt Öztük noch vom TuS Lichterfelde. Jüngere wenden sich schon mal an ihn, wenn es Schwierigkeiten mit dem Trainer gibt. Auch wenn Öztürk seinen Teamkameraden attestiert: „Die sind relativ selbstständig.“ Und auch wenn es um die Spielaussichten nicht zum Besten steht, sorgt er oft für die Beibehaltung der psychischen Balance im Team. Sein Motto: „Nicht aufgeben, auch wenn es mal nicht so gut läuft.“

Nur beim Stichwort „deutsche Leitkultur“ kann Öztürk, der einen deutschen und einen türkischen Pass besitzt, ein irritiertes Gesicht machen: „Ich weiß nicht, wie man so etwas definiert“, sagt der Spandauer, der in einem katholischen Kindergarten und später auf dem Carl-Friedrich-von-Siemens- Gymnasium erzogen wurde, etwas ratlos. „Niemand will den Deutschen ihre Kultur absprechen.“

Seine türkisch-bosnische Herkunft empfand Öztürk nie als Problem. Dafür die Doppelbelastung Profisport und Studium. Zweimal täglich muss der mit einer Spandauerin verheiratete Öztürk den Ball in die Hand nehmen. Die restliche Zeit widmet er vor allem seinen Töchtern Talika (5) und Sonnele (2). Fast bis zum Vordiplom sei er gekommen, berichtet Öztürk bedauernd über sein abgebrochenes Betriebswirtschaftsstudium. „Aber vielleicht nehme ich das Studium ja wieder auf, wenn ich mit dem Basketball aufhöre.“

Davon aber kann vorerst keine Rede sein. „Wenn die Knochen halten, spiele ich, so lange es mir Spaß macht“, sagt Teo Öztürk und sieht dabei sehr robust aus.