Allein unter Männern

Vom unaufhaltsamen Untergang des deutschen Regiertheaters und anderen Tragödien: Matthias Brenner inszeniert Patrick Marbers „Poker“ auf der Bühne der Kammerspiele am Deutschen Theater

von EVA BEHRENDT

Männer unter sich. Das war noch nie besonders spannend. Wie bodenlos öde es allerdings werden kann, wenn auch noch Prügelszenen, Uniformen, Männersex und Intellekt wegfallen, beweist eindrücklich einschläfernd Patrick Marbers erstes Theaterstück, „Poker“ („Dealers Choice“). Matthias Brenner hat es auf der Bühne der Kammerspiele des Deutschen Theaters inszeniert.

Um Männer geht es freilich nur am Rande, wohl aber um die wundersamen Kreisläufe des Geldes. Frankie, Sweeny und Depsy, die alle in einem Londoner Restaurant arbeiten, setzen sich nächtens zusammen mit dem Chef (Michael Schweighöfer) und dessen Sohn Carl (Tim Lang) zu zünftigen Pokerpartien in den lokalen Keller, wo sie regelmäßig ihren Lohn an Stephen zurückverlieren. Die logische Folge von solch doppelter Abhängigkeit: Man möchte gerne sein Leben verändern. Depsy (Robert Gallinowski) will gemeinsam mit Carl in einer ehemaligen public toilet seinen eigenen Laden eröffnen, Frankie (Wilhelm Eilers) will nach Las Vegas auswandern und Sweeny (Udo Kroschwald) wenigstens zum seltenen Besuchstag seiner kleinen Tochter ausgeschlafen und verantwortungsvoll aussehen. Frauen und Kindesmütter haben sich begreiflicherweise aus diesen Biografien verabschiedet.

Viel mehr ist allerdings in den ersten zwei Akten, für die Nicolaus-Johannes Heyse nur einen handtuchschmalen Tresen- oder vielmehr bedeutungsschweren Tresorraum in Grafit vorgesehen hat, von der Belegschaft nicht zu erfahren. Der schwadronierende Umgangston von Leuten, die mehr sind als Kollegen und weniger als Freunde, schlägt sich in einer Reihe halbschlapper Witze nieder. Schweighöfer, Kroschwald, Gallinowski und Co, offensichtlich dazu angehalten, ihre Rollen in Charaktere zu verwandeln, ergehen sich jedoch in aufgeblasenen Ausbrüchen und ewigen Gedenksekunden. Zu Marbers zweitem Drama, „Hautnah“ („Closer“), das in den letzten beiden Jahren etliche Stadttheater-Spielpläne zierte, hätte das noch passen mögen. Bei der Fingerübung im Gambler-Milieu taugt unser sublimes deutsches Regietheater grade mal so viel wie ein Tässchen Sidroga Schlaf- und Nerventee zum Frühstück.

Als die Mannschaft endlich zum Spieltisch schreitet, scheint sich zumindest ein Spannungsfaktor mit Pokerface hinzuaddiert zu haben: Der Profi-Spieljunk Ash (Horst Lebinsky), dem Carl ein kleines Vermögen schuldet, will um jeden Preis sein Geld zurückgewinnen. „Kennt ihr Marx’ Theorie vom unausweichlichen Untergang des Kapitalismus?“ – „Da sind wir wohl der beste Gegenbeweis“, kalauert es unerbittlich weiter, bis der Sozial- und Rollenrealismus sich endgültig selbst in die Falle tappt. Vater Stephen besiegt zwar Ash, zahlt aber, allzu sorgsam aufgebaut als Raffzahn mit Herz, im mildesten Showdown der Spielzeit brav die Sohnesschulden. Die beiden Überraschungen des Abends: die Abwesenheit jeglicher Überraschung und ein kräftig applaudierendes Premierenpublikum.

Weitere Aufführungen: 27. 11.,8. und 26. 12., jeweils 19.30 Uhr, Kammerspiele des Deutschen Theaters, Schumannstr. 13 a