Bürgerbahn statt Börsenwahn

Der Gegenentwurf: Ein Bündnis von Verkehrsexperten fordert preiswerten öffentlichen Verkehr und kritisiert den fehlenden „Netzgedanken“ beim Management der Bahn AG

BERLIN taz ■ „Bürgerbahn statt Börsenbahn“ fordert eine Gruppe von Bahn- und Verkehrsspezialisten. Sie rufen zu einem breiten Bündnis für eine Neuausrichtung und somit Rettung der Bahn auf. Mit dabei sind unter anderem Winfried Wolf, Mitglied des Bundestages für die PDS, und Heiner Monheim, Stadtplanungsprofessor an der Uni Trier.

„Eigentlich wäre das Sache der Umweltverbände“, so Wolf gestern, „doch aus dieser Richtung kommt bisher nicht viel.“ Für die Initiatoren des Aufrufs kommen die Katastrophenzahlen der Bahn keineswegs überraschend. Sie seien schon mit der Bahnreform von 1994 programmiert gewesen. Außerdem weise der Bundesrechnungshof mindestens seit 1997 darauf hin, „Erlössteigerungen“ ließen sich bei der Bahn „nicht feststellen“. Alle Daten seien Bahnvorstand oder Verkehrsministerium jederzeit zugänglich gewesen – und im Übrigen sei der Zustand der Deutschen Bahn AG auch jedem Bahnkunden aus eigener Anschauung.

Ein Teil der Forderungen richtet sich an die jetzige Bundesregierung. Sie soll endlich einen neuen Bundesverkehrswegeplan erarbeiten und nicht mit dem derzeitigen Verkehrswege-Investitionsprogramm im Wesentlichen Projekte realisieren, die schon ihre Vorgängerregierung geplant hat. In den beiden Jahren unter Rot-Grün sei das Straßennetz jeweils um 500 Kilometer gewachsen, neue Landebahnen gebaut worden und das Bahnnetz weiter geschrumpft, um rund 400 Kilometer pro Jahr.

„Vermeiden, verkürzen, verlagern“ müssten die Grundsätze einer neuen Verkehrspolitik sein. Das heißt: „Öffentlicher Verkehr muss deutlich preiswerter als der motorisierte Individualverkehr sein.“ Angebote wie BahnCard, Umweltmonatskarten und Jobtickets seien auszubauen. Das bedeute nicht unbedingt Verteuerung des Autofahrens, sondern vor allem im Verhältnis deutlich billigere Abo-Angebote bei der Bahn.

Von einer börsenfähigen, also profitablen Bahn AG halten die fünf Unterzeichner derzeit wenig. Das Schienennetz sei wie Ausbildung, Gesundheit oder Altersvorsorge infrastrukturelle Grundversorgung des Gemeinwesens. Der Bund soll daher 100-prozentiger Eigentümer der Bahn bleiben und das Schienennetz aus dem Betrieb der Deutschen Bahn AG herauslösen.

Das Management der Bahn setzt laut der Initiative die falschen Ziele: „Oft ist es billiger, dass Personal in ausreichender Zahl auf Bahnhöfen präsent ist, als in Hochgeschwindigkeit zu investieren: Teuer erkaufte Minutengewinne auf der Strecke verliert der Fahrgast oft durch Warten am Schalter und Automaten.“

Die Bahnvorstände hätten viel zu wenig den „Netzgedanken“ im Blick: Der leichte und flächendeckende Zugang zum System Bahn sei durch die vielen Bahnhofs- und Streckenschließungen in Gefahr. Eine hohe „Netzgeschwindigkeit“ werde durch einen integrierten Taktverkehr erreicht – also die genaue Abstimmung von Fern-, Regional- und Nahverkehr – und nicht durch Hochgeschwindigkeit von Zentrum zu Zentrum.

Die gestrigen Aussagen von Bahnchef Hartmut Mehdorn seien in diesem Zusammenhang „eine Katastrophe“, so Winfried Wolf: „Die machen beschleunigt so weiter wie bisher.“ Dabei bringe all das Strecken- und Personalgespare nachweislich kein Geld: Die Produktivität der Bahn hat sich durch all die Entlassungen und Auslagerungen von Teilgeschäften nicht erhöht, so ein jüngst durch den Spiegel bekannt gewordener Bericht des Bundesrechungshofes. „Eine Bahn in der Fläche ist nicht teurer“, meint Wolf, „weil sie insgesamt mehr Leute anzieht.“

REINER METZGER

Kontakt: winfried.wolf@bundestag.de, Umweltverbände:www.allianz-pro-schiene.de