Äthiopien strahlt im Kaiserwetter

Mit ihrem Einsatz in Äthiopien kommen zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder europäische Blauhelme nach Afrika, um den Waffenstillstand mit Eritrea zu überwachen. Die Regierung sonnt sich in Kriegserfolgen und hat sich mit dem Volk versöhnt

aus Addis Abeba PETER BÖHM

In einer Halle stapeln sich Kisten mit Klimaanlagen und Möbeln. Die Umzugswilligen auf dem Gelände der UN-Wirtschaftskommission für Afrika (ECA) in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba gehören zur neuen UN-Friedensmission für Äthiopien und Eritrea (Unmee), die demnächst ihre Arbeit an der Waffenstillstandslinie zwischen den beiden Ländern aufnehmen soll. Auf beiden Seiten der Front wurden schon 117 Beobachter stationiert. Letzten Samstag traf der Kommandeur der mit 200 Beobachtern und 4.000 Blauhelmsoldaten geplanten Mission in Eritrea ein: General Patrick Cammaert aus den Niederlanden.

Die UNO-Beobachter in Addis Abeba unterscheiden sich von anderen in Afrika. Sie strahlen Zuversicht aus. Auch wenn es hier noch keiner laut sagen möchte: Unmee soll für die in Afrika gebeutelte UNO ein Erfolg werden. „Im Gegensatz zum Kongo, zu Bosnien oder dem Kosovo stehen sich bei diesem Konflikt nur zwei Armeen gegenüber“, sagt der finnische Oberst Jukka Pollänen, der bis zur Ankunft des Generals Cammaert ranghöchster Offizier war. „Und die sind sehr diszipliniert.“ Die Aufgabe sei deshalb „machbar“, sekundiert der niederländische Botschafter Gert Ganstorm.

Aus den Niederlanden wird das größte Kontingent der 4.000 Blauhelmsoldaten erwartet. Weil seit den Debakeln in Somalia und Ruanda und neuerdings in Sierra Leone die UNO in Afrika in der Defensive ist, kann es jetzt als großer Erfolg gelten, dass erstmals seit Ruanda wieder Soldaten aus Europa an einer UNO-Mission in Afrika teilnehmen.

Die 700 Niederländer werden Ende November in Eritrea erwartet. Es sind die ersten Blauhelmsoldaten des Landes seit dem Debakel im bosnischen Srebrenica 1995, als niederländische UN-Truppen das Abschlachten tausender Zivilisten nicht verhinderten. In Eritrea sollen sie zusammen mit 400 Kanadiern die so genannte „zentrale Front“ überwachen, ein bergiges Gebiet, um das während der Schlussphase des äthiopisch-eritreischen Krieges extrem blutige Kämpfe stattfanden. Wenn – wie erwartet – das dänische Parlament in den nächsten Tagen zustimmt, werden auch 400 Dänen an Unmee teilnehmen.

Die UNO-Soldaten werden aber die vorgesehene 25 Kilometer breite Sicherheitszone, die wegen der erfolgreichen äthiopischen Offensiven kurz vor dem Waffenstillstand vom Juni tief auf eritreeischem Territorium liegt, nur einrichten können, wenn sich die äthiopische Armee zurückzieht. Weil Ende Oktober die ersten äthiopisch-eritreischen Verhandlungen seit dem Waffenstillstand scheiterten, sieht es dafür nicht gut aus. Als entscheidender Streitpunkt entpuppt sich, dass Äthiopien die Regelung des Verlauf der umstrittenen Grenze vom Internationalen Schiedsgericht in Den Haag geklärt haben will, während Eritrea politische Verhandlungen unter UNO-Vermittlung möchte.

„Ich bin ganz sicher, dass wir diese Frage lösen werden“, sagt Oberst Pollänen dennoch. „Äthiopien ist gerade dabei, die Pläne für den Rückzug auszuarbeiten.“

Denn ein Ergebnis hat der Krieg für die äthiopische Regierung schon gebracht: Sie ist im eigenen Land beliebt wie nie zuvor. Jahrelang wurde die vom Minderheitsvolk der Tigrays dominierte Regierung, die sich 1991 per Guerillakrieg an die Macht kämpfte, von anderen Bevölkerungsteilen nur ungern akzeptiert, und zu Beginn des Krieges gegen Eritrea 1998 gingen viele Beobachter ebenso wie die eritreische Regierung davon aus, dass der Krieg den Vielvölkerstaat Äthiopien zerreißen würde. Genau das Gegenteil ist jedoch eingetreten: Der Sieg über Eritrea hat einen Überschwang an Nationalgefühl ausgelöst.

Das ist auch der Grund, warum die Regierung nach acht Jahren Bitten der Nachkommen des 1974 gestürzten letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie doch am Sonntag eine feierliche Umbettung seiner sterblichen Überreste zuließ. Selassie, letzter Vertreter des jahrhundertealten amharischen Kaiserreiches, war nach seinem Sturz durch kommunistische Militärs unter ungeklärten Umständen gestorben. Der heutigen Regierung war er besonders verhasst.

Nun fand am Sonntag eine farbenfrohe Prozession statt, bei der koptische Priester, Veteranen der kaiserlichen Armee und Rastafari-Anhänger wie die Witwe von Bob Marley gemeinsam den toten Kaiser feierten. Zwar veröffentlichte die Regierung in guter revolutionärer Tradition ein Statement, in dem Selassie „grausame Unterdrückung“ und ein „Chaos von Hunger und Leiden“ vorgeworfen wurde, aber sie erlaubte das Ereignis. Vor dem Krieg wäre das undenkbar gewesen.