„Für das Thema gibt es keine schnelle Lösung“

Rassismus und Diskriminierung beschäftigen den Deutschen Gewerkschaftsbund seit vielen Jahren. Dieter Scholz, DGB-Chef, zieht Bilanz

taz: Seit dem Sommer ist das Thema Rechtsextremismus in aller Munde. Ist das DGB-Schulprojekt „Courage“ Ausdruck eines um sich greifenden Aktionismus oder Teil einer langangelegten Kampagne?

Dieter Scholz: Wir gehören zu denjenigen, die das Problem schon länger erkannt haben. Uns ist unverständlich, dass andere in Politik und Wirtschaft nicht eher darauf reagiert haben. Der DGB hat schon im Oktober 1991 das Bündnis der Vernuft gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit ins Leben gerufen. Dieses Bündnis, das im Wesentlichen eine Initiative der IG Metall war, gibt es bis heute. Es zeichnet Menschen aus, die sich im Alltag konsequent couragiert gegenüber rechtsextremen Vorfällen verhalten.

Was tut der DGB in puncto Rechtsextremismus an der eigenen Basis?

Der DGB ist keine Organisation, die in den Betrieben ist. Das sind die Einzelgewerkschaften. Von diesen gibt es eine Vielzahl von Aktivitäten und Bildungsangeboten gegen Rassismus und Diskriminierung. Der DGB ergänzt das Ganze durch eigene gewerkschaftsübergreifende Seminare. Wir lassen uns dabei auch von Fachleuten die Entwicklungen darlegen und aufzeigen, wie man darauf reagieren kann. Wir machen Seminare mit Betriebsräten mit der Fragestellung: Ist es angebracht, in Betrieben Betriebsvereinbarungen gegen Diskriminierung abzuschließen?

Was für Projekte gibt es konkret für Jugendliche?

Da gibt es schon seit Jahren eine ganze Palette. Ein Beispiel ist unsere Jugendbildungsstätte in Flecken-Zechlin in Brandenburg, wo wir eine ganz aktive internationale Begegnungsarbeit machen. Dort gibt es einen Ehrenfriedhof aus dem Zweiten Weltkrieg, auf dem russische Soldaten beerdigt sind. Der Friedhof ist schon mehrfach geschändet worden. Diesen Friedhof haben sowohl Jugendliche aus der Gegend um Flecken-Zechlin wie russische Jugendliche, die auf einem Seminar waren, wieder instandgesetzt. Das ist schon dreimal geschehen. Inzwischen wird der Friedhof nicht mehr geschändet. Wir haben Internet-Cafés, die sich mit rechtsradikalen Entwicklungen auseinandersetzen und anderen Jugendlichen den Gebrauch des Internet vermitteln.

Angesichts der Entwicklung der letzten Zeit ist man versucht zu sagen, dass solche Projekte nichts bringen.

Das finde ich nicht. Das ist ein schwieriges Thema, für das es keine schnelle Lösung gibt. Wir sind darauf angewiesen, dass andere solche Bestrebungen unterstützen. Deshalb arbeiten wir generell in Bündnissen. Unser Ziel ist, andere gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen für dieses Thema zu interessieren. Seit der breiten öffentlichen Debatte im vergangenen Sommer stelle ich mit Zufriedenheit fest, dass die Senisibilität größer wird. Das gilt auch für die Wirtschaft. Hier liegt für die Zukunft ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Wir wollen das Thema in den Betrieben mit Geschäftsleitung, Personalräten und Betriebsräten angehen und dafür sorgen, dass es dort keine Diskriminierung mehr gibt. EKO in Eisenhüttenstadt in Brandenburg verhält sich in dieser Hinsicht ausgesprochen vorbildlich. Diese Erfahrung wollen wir auswerten, um daraus generelle Schlüsse für andere Betriebe zu ziehen.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE