Es winkt die dicke Dollarerbschaft

Der Auszeichnungen gab es beim Prix Europa viele, zwei sind der „Willy-Brandt-Preis“ und ein Menschenrechtspreis

Dass dies eine „besondere Jury“ innerhalb des Prix Europa sei, hatte Festivalchef Leo Braun eingangs erklärt. Und damit sicher gemeint, dass wir im Gegensatz zu den anderen Jury hinter verschlossenen Türen tagen. Und wählen nach zweieinhalbtägiger Klausur den Gewinner des vom Journalistenverband Berlin gestifteten „Willy-Brandt-Zuschauerpreises“ sowie, einmalig in diesem Jahr zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens der Menschenrechtskonvention, den „Prix Europa für Menschenrechte“ (gestiftet vom Europarat).

Den Preis im Bereich TV-Fiction erhielt übrigens Andreas Dresens Film „Nachtgestalten“, insgesamt wurden 14 Preise vergeben.

Der Jury aus Zuschauern und Journalisten stellte sich zum Beispiel die wichtige Dokumentation „A cry from the grave“ (BBC) über die Hintergründe des Massakers von Srebrenica. Ein Film, der erstmalig von den bosnisch-serbischen Truppen aufgenommenes Material zeigt. Die hinterhältigen Versprechen des Generals Mladić an die männliche Bevölkerung sind dort ebenso aufgezeichnet wie hilflose Manöver der UNO-Truppen und bosnisch-serbische Soldaten, die ihre Opfer verhöhnen, sie zwingen, Freunde in einen Hinterhalt zu locken. Es ist als chronologische Kompilation von brisantem Material von unschätzbarem Wert. Allerdings kommt auch die Frage auf, ob man angesichts einer solchen Leistung überhaupt nach formalen Mängeln fragen darf. Gewiss, es geht hier um unglaubliche Greueltaten. Doch muss dies mehrmals über den Kommentar eingeschärft werden?

Angesichts dieses Sujets hat „Wahre Liebe wartet“, ein kleiner schräger Abschlussfilm aus Finnland, natürlich keine Chance. Auch wenn er witzig auf das Recht einer unfreiwillig „ewigen Jungfrau“ auf späte sexuelle Erfüllung pocht. Humor spielt auch die tragende Rolle im polnischen Film „Das Wunder von Purim“ (Willy-Brandt-Preis). Eine Farce im antisemitischen Kleinbürgermilieu: arbeitsloser Vater, frömmelde, immer handarbeitende Mutter und halbstarker Sohn. Bringt die Aussicht auf eine dicke Dollarerbschaft auch die fernsten Mercedesträume näher, so gerät doch die „heile“ Weltanschauung ins Wanken. Sie erfahren, dass sie alle Juden sind und orthodox leben müssen. Autor, Regie und Schauspieler jonglieren souverän mit Pointen und Klischees. Trotz intelligentem Amüsement hat Autor Maciej Karpinski natürlich eine schlechte Nachricht: Die Schmierereien an der Synagoge waren echt. GABY HARTEL