Minima Moravia und andere Visionen

■ Pechschwarze Komödie: Jesus ist ein Palästinenser von Lodewijk Crijns

Als die Beatles mit Faye Dunaway und einer Reihe anderer Prominenter 1968 den Maharishi Yogi in die Indien besuchten, war Ringo Starr der einzige, der nach ein paar Tagen wieder ausbüxte: Das Essen sei hundsmiserabel, und außerdem habe der Maharishi – im übrigen: ein Tittengrabscher – einen gewaltigen Dachschaden. Wäre eine ganze Generation seinem Ruf nach Fish' n'Chips gefolgt, viel wäre uns dann erspart geblieben. Aber auch manches entgangen. Wie Lodewijk Crijns' pechschwarze Komödie Jesus ist ein Palästinenser, bei der es sich allerdings mitnichten um ein politisch-theologisches Traktat handelt, wie der Titel vielleicht vermuten ließe, sondern um eine Satire über die Pathologien von Millenaristen und anderen esoterischen Spinnern.

„Okultismus ist die Metaphysik der Doofen“, schrieb Adorno in „Minima Moralia“ einst. Crijns nimmt ihn beim Wort – mit Blick auf das vergessene komödiantische Potenzial seines Satzes. Allein, dass der Film, wie an dieser Stelle unlängst spekuliert wurde, von einem Verleih in die Kinos gebracht wird, dem wir nicht nur Die totale Therapie zu verdanken haben, sondern der auch auf den Namen „Neue Visionen“ hört, sollte einem wirklich zu denken geben.

In völliger Isolation von allen weltlichen Sorgen lebt Ramses auf einem Bauernhof unter der Knute von Khan Guru, dessen Namen sich im Niederländischen verdächtig nach „Känguru“ anhört. Ramses nennt ihn deshalb zärtlich „Skippy“. Khan Guru praktiziert mit den Angehörigen seiner Sekte nicht nur den üblichen astrologischen Yoga-Mummenschanz, sondern sieht auch aus wie die zugetackerte Version des Maharishi: zentrales Element des religiösen Lebens sind Piercing-Rituale, für die auch schon mal die Akku-Bohrmaschine mit 8er-Steinbohrer ausgepackt wird. Mit der bohrt der Guru seinen Zöglingen zur Initiation gern ein Loch durchs Schienbein – während draußen die Kühe friedlich muhen: Durch die Öffnung lässt sich dann nämlich Rauch durchblasen, und das ist irgendwie wichtig. Ramses bleibt das zum Glück erspart, weil ihn seine Schwester zurück in die Stadt holt: Der Vater der beiden liegt seit Ewigkeiten im Koma, und sie braucht seine Zustimmung, um die Geräte abschalten zu dürfen. Ramses verweigert sich und gerät in eine vertrackte sexuelle und religiöse Selbstfindungsodyssee, die in schöner Regelmäßigkeit von äußerst brutalen und blutigen Gemeinheiten unterbrochen wird. Er verliebt sich, entdeckt den Schwindel seines nach Erlösung dürstenden Vaters, wird von Sektenangehörigen verfolgt – und praktiziert Sterbehilfe nach Hausmannsart: mit dem Vorschlaghammer. Dass Crijns im Doppelsinne ätzender Humor nicht einmal vor der Flugzeugkatastrophe 1992 in der Hochhaussiedlung Bijlmer Halt macht, wäre bei so viel Ufologie noch zu verkraften. Was aber mit Ramses' wirklich niedlichem Hausschwein am Ende passiert, das ist echt nicht mehr schön. Tobias Nagl

tägl., 22.30 Uhr, mit Vorfilm Der Junge, der nicht passt von Cordula Ditz, 3001