Elektrifizierte Township-Tänze

Preisträger des diesjährigen WOMEX-Awards: das legendäre Vokaltrio der Mohatella Queens aus Südafrika

„Manchmal absolvierten wir bis zu drei Auftritte pro Tag,“ erinnert sich Hilda Tloubatla, das dienstälteste Mitglied der Mahotella Queens. Dann kramt sie noch tiefer in ihrer Erinnerung: „Aber wir wussten, dass wir von den Leuten aufgrund der miserablen Lage kaum Eintrittsgeld verlangen konnten. Manchmal gab uns jemand ein paar Eier. Es musste nur irgendwie für uns und unsere Familien reichen.“

Alles begann 1964 in Johannesburg. Damals agierten die Sängerinnen unter wechselnden Namen als Sessionvokalistinnen. Bei Gallo Records arbeiteten sie häufig mit dem Sänger Simon „Mahlathini“ Nkabinde zusammen sowie mit der Hausband des Studios. Man beschloss, eine feste Formation auf die Beine zu stellen. Vom Rock ’n’ Roll inspiriert, machten „Mahlathini & The Mahotella Queens“ Furore, indem sie als erste Band elektrische Gitarren einsetzten – und plötzlich klang die traditionelle Straßenmusik der Townships schrill und aufregend. Doch zum eigentlichen Markenzeichen wurde ihr eigenwilliger Gesangsstil, der aus dem Kontrast zwischen der rauhen Bassstimme des Sängers und den weichen Harmonien der Vokalistinnen seine Spannung bezog. Dazu kam eine spektakuläre Show, die traditionelle Tanzschritte in eine superdynamische Choreographie übersetzte. Die Tänzerinnen wirbelten in synchronen Bewegungen über die Bühne, ruderten mit den Armen und machten allerlei sexuelle Andeutungen, wobei die folkloristischen Kostüme mehr exponierten als verhüllten. Pausenlose Auftritte, dazu eine Serie von Hits – das katapultierte sie bald in die Liga der Superstars der südafrikanischen Szene.

Der Erfolg hielt bis in die siebziger Jahre an. Dann begann es zu kriseln, und die Gruppe fiel nach und nach auseinander. Mitte der 80er, nachdem die Sängerinnen ihre Kinder groß gezogen hatten, nahm man einen neuen Anlauf. Mit Hilda Tloubatla, Nobesithi Mbadu und Mildred Mangxola waren die Mahotella Queens jetzt auf ein Trio geschrumpft. 1986 gerieten sie wieder ins Blickfeld, als sich die Welt, angeregt durch Paul Simons „Graceland“-Album, für die Klänge aus Südafrika zu interessieren begann. Tourneen folgten, vier Alben wurden produziert, und mit „Yebo“ gelang dem Ensemble sogar noch mal ein mittlerer Hit. Ein Auftritt bei Nelson Mandelas Geburtstagsparty im Londoner Wembley-Stadium 1988, per TV in über 60 Länder übertragen, sowie ein Konzert im New Yorker Central Park vor einer halben Million Leuten 1991 markierten den Höhepunkt einer mehr als 35-jährigen Laufbahn.

Das Ende der Gruppe kam am 27. Juli 1999 in Sicht, als Bandleader Mahlathini Nkabinde 61-jährig einem Diabetesleiden erlag. Am Sonntag werden die verbliebenen Mohatella Queens für ihr Lebenswerk geehrt.

CHRISTOPH WAGNER