Buntheit im Quadrat

Die Messe ist auch nur ein Medium unter anderen: Am Rande des art forum präsentiert das Podewil Malerei im handlichen Format, und die Video-Lounge „no vacancies“ hat Platz für 15 kurze Filme

von HARALD FRICKE

Die Kunstmesse ist ein Mannschaftssport, bei dem es auf das Zusammenspiel aller Kräfte ankommt. Jedes Jahr wird nach einem Beiprogramm gesucht, das den Eventcharakter des art forum in den Stadtraum verlängert. Deshalb kann man den Schweizer Biennale-Kurator Harald Szeemann spät abends noch in einer Video-Lounge an der Rosa-Luxemburg-Straße treffen und am nächsten Tag ein wenig angeschlagen im Podewil.

Dabei richten sich die Ausstellungen, die an beiden Orten stattfinden, nur bedingt an den Messebetrieb. Videoarbeiten, so wie sie von Angelika Richter und der Galeristin Barbara Thumm in den raumgreifenden Installationen für „no vacancies“ gezeigt werden, sind wegen ihrer Größe schlecht an private Sammler zu verkaufen. Dagegen ist die Malerei, die Klara Wallner für „Come in and find out, vol. 4“ ausgewählt hat, fast schon wie eine Parodie auf den Kunstmarkt arrangiert. Der Franzose Matthieu Mercier hat lauter kleine weiße Kojen entworfen, in denen die Bilder als eine ironische Verdoppelung der Messesituation hängen – smart, aber nicht käuflich.

Schon das Video von Rudi Molacek am Eingang der Ausstellung ist einigermaßen verwirrend: Seine Malerei kommt vom Band. Der Östereicher hat in schnellen Schnitten alle möglichen Spielarten der Malerei zusammengesampelt, die Kamera zoomt auf ein paar gestische Pinselspuren zu, schwenkt auf eine monochrome Fläche und gleitet über großporige Pixelspuren. Malen ist bei ihm kaum mehr als ein Medium unter vielen.

Aber auch der Rest der 25 beteiligten Künstler und Künstlerinnen geht eher unsentimental mit Farbe und Leinwand um. Maya Roos gestaltet ihre Selbstporträts als Strichcode nach einem Computercode, Ugo Rondinone benutzt großflächig Autolacke und John M. Armleder verteilt Glitter über seine Bildflächen, deren Farbigkeit an eine aktuelle Lidschattenpalette erinnert. Bei Jacob Tell aus Kopenhagen ist Malen ein aktivistisches Unternehmen, das Techno und Politslogans nicht ausspart, bei Joachim Grommek dient Farbe immer noch als Mittel, das Gelb auf einer Spanplatte von einem gelben Filztuch zu unterscheiden. Natürlich wird man bei so viel Buntheit im Quadrat irgendwann melancholisch und sucht nach dem Grund für das ganze Revival. Dann sitzt man auf einer Bank vor Peter Bondes „A perfect world (Remix)“ und grübelt vor einer orange leuchtenden Fläche, warum der Däne mit den Fingern den Titel der Arbeit hineingeschmiert hat. Vermutlich meint er das gar nicht ernst.

Der Zugang zu den 15 Videos für „no vacancies“ fällt da schon etwas leichter. Die Arbeiten sind übersichtlich auf eine komplett leer stehende Etage verteilt, jeder Raum ein kleines Kino. Bei den Schweden Bigert & Bergström muss man um eine dunkle Kuppel herumlaufen, weil der Film im Inneren wandert. Menschen turnen in schlauchartigen Gängen umher und fliehen mit dem Raum vor dem Betrachter. Davon wird man allerdings schnell müde. Drei Räume weiter funktioniert Juan Carlos Robles’ „Escalator“ genau umgekehrt: Der Spanier hat eine Flughafenrolltreppe gefilmt, auf der die Passagiere in Zeitlupe entlanggleiten, bis der Hintergrund malerisch mit den Menschen verschmilzt.

Überhaupt sehen einige Videos wie Tableaux Vivants aus. Mariele Neudecker hüllt Berggipfel tricktechnisch in künstliche Wolken, bei Christoph Girardet werden in „Squaw’s Head Rock“ zwei Erschießungssequenzen aus einem Western in Sekundenschnitte zerlegt, so dass sich die beiden Sterbenden wie in einem Liebesakt anstöhnen.

Besonders fremd, aber sehr angenehm sieht die Welt in der Vorstellung von Jennifer Lane aus: Die Filmemacherin aus Los Angeles zeigt ihre Variation vom Paradies, in dem ein lesbisches Paar in sexy Science-Fiction-Kostümen herumtollt und von den Bäumen nascht. Manchmal fragt auch eine der Frauen, was eigentlich Bewusstsein ist. Eine Antwort gibt es nicht. Nur ein hübsches Logo.

„Come in and find out, vol. 4“, bis 28. 10., Mo – Sa 10 – 22 Uhr, Podewil, Klosterstraße 68 – 70„no vacancies“, bis 1. 10., 14 – 1 Uhr; Rosa-Luxemburg-Straße 9 – 13. Parallel zum „art forum“ findet heute der Galerien-Rundgang in Mitte statt.