Hightech in Hamburgs Osten

■ Sandra Völker und ihre Mitschwimmerinnen sahen bei den olympischen Spielen nicht gut aus. Am Olympia-Stützpunkt in Dulsberg lag es nicht: Hier werden Sportler auf hohem Niveau betreut

Ein Besuch beim Olympiastützpunkt Hamburg/Schleswig-Hol-stein (OSP) lässt den Besucher zunächst nicht an Spitzensportler und Weltrekorde denken. Ein wenig hanseatischer Nieselregen, und die Dulsberger Trostlosigkeit ist perfekt. Auch das Gemäuer, hinter dem sich die Olympioniken für ihre Wettkämpfe schindeten, wirkt wie ein Relikt aus den unästhetischen siebziger Jahren. Damals war der Stützpunkt noch das Dulsbergbad. „Der Umkleidebereich der einstigen Bezirksschwimmhalle ist erst 1988 umgebaut worden“, weiß Laufbahnberaterin Ingrid Unkelbach zu berichten.

Der Bundesausschuss Leis-tungssport des Deutschen Sportbundes hatte nach den Olympischen Spielen in Los Angeles 1984 in umfassenden Analysen der Wettkampfergebnisse festgestellt, dass die Endkampfplatzierungen deutscher Sportler zwar in Ordnung waren, nicht aber die Zahl errungener Medaillen. Darüber hinaus fielen eine Reihe hoffnungsvoller Athleten wegen Verletzungen aus oder konnten sich nur unzureichend vorbereiten. Die zuständigen Gremien beschlossen, die Konzeption der trainingsbegleitenden Maßnahmen in den olympischen Sportarten zu optimieren. So entstanden 1988 die ersten OSP in den Bereichen Sportmedizin, Sportwissenschaft und Biomechanik. Jeder OSP hat eine Schwerpunktsportart, Hamburg ist für die Schwimmer und Ruderer verantwortlich.

Dass Sandra Völker in Sydney ohne Medaille blieb, lag betsimmt nicht an der umfangreichen Betreuung am OSP. „Spitzensportler können sich hier im Bereich Trainingswissenschaften, Physiotherapie, Sportmedizin und persönlicher Beratung unserer Unterstützung sicher sein“, erklärt Ingrid Unkelbach den Sinn und Zweck der Einrichtung. Die gelernte Sportpädagogin und ehemalige Leistungsschwimmerin ist für das soziale Umfeld der Sportler zuständig, denn häufig werden junge Hoffnungsträger betreut, deren Leben auch außerhalb der Trainingseinheiten organisiert werden muss. So sei die Integrität von Leistungssport und allgemeiner Karriere zu gewähren, wie Unkelbach betont.

20 OSP-Standorte gibt es mittlerweile in ganz Deutschland. „Die Leitung hat der Bereich Leistungssport im Deutschen Sportbund“, so Unkelbach. Finanziert werden die Sportstätten durch das Bundesministerium für Inneres sowie Anteile der Länder. „Jeder, der in der A-,B- oder C-Nationalmannschaft seiner Sportart ist, hat das Recht, uns in Anspruch zu nehmen“, erläutert Unkelbach.

Insgesamt 170 Athleten werden in Dulsberg betreut. Die Liste der Prominenz ist lang. Die Hockeycracks Michael Green und Britta Becker oder Schwimmerin Sandra Völker geben sich hier die Klinke in die Hand. Rekonvaleszenten werden ebenso betreut wie rein auf Leistungssteigerung hinarbeitende Sportler. Die Abgrenzung zum Breitensport ist allerdings gewährt. A- und B-Kader sind die Besten ihres Faches bei den Erwachsenen, die C-Kader der jeweiligen Sportarten bestehen aus den talentiertesten Jugendlichen. Auch Privatleute und auswärtige Mannschaften können den Service des OSP in Anspruch nehmen, müssen dies aber bezahlen. So ist eine gewisse Refinanzierung über private Mittel möglich.

Die einzelnen Olympiastützpunkte zeichnen sich durch soziostrukturelle Besonderheiten der Sportler aus. „Ausdauersportarten wie Rudern und Schwimmen sind mit einer schulischen oder studentischen Ausbildung einfacher zu bewerkstelligen“, definiert Unkelbach die regionale Spezifität des OSP Hamburg/Schleswig-Hol-stein. „Ein großer Teil unserer Sportler besteht aus Gymnasiasten und Studenten. Im OSP Berlin, wo Boxen eine große Rolle spielt, ist auch ein anderes Soziogramm der Sportler vorhanden.“

Das Leistungszentrum Schwimmen ist der Dreh- und Angelpunkt des OSP. „Wir sind Diagnosezentrum des Deutschen Schwimmverbandes“, referiert Unkelbach. Regelmäßig komme die Nationalmannschaft zur Leistungsdiagnos-tik. Hochtechnologisches Rüstzeug und das ausgebildete Personal bieten die Grundlage für professionelles Arbeiten. Eine Gegenstromanlage ermöglicht eine punktuelle Bewegungsanalyse auf dem Computer. Start- und Wendeverhalten werden ebenso untersucht wie die Schwimmtechnik. Nebenan im Computerraum sitzt der promovierte Biomechaniker Dieter Kliche. „Es wurde eigens eine Software nach unseren Vorstellungen entwickelt, die genaueste Analysen ermöglicht“, doziert der Wissenschaftler. Fünf Kameras durchleuchten die Motorik der Sportler von allen Seiten. „Es ist angewandte Forschungsarbeit, wir haben nur ein Ziel: den Sportler schneller zu machen.“

Auf die Frage, ob das etwas altertümlich wirkende Dulsbergbad nicht ein wenig paradox anmutet als Ort des OSP, der Sport und Hightech verbindet, weiss die eloquente Unkelbach eine passende Antwort: „Hier soll gearbeitet werden. Es geht nicht um Show, sondern um die Geschwindigkeit der Sportler.“ Martin Sonnleitner