„Der IWF ist nicht bereit, den Kurs zu ändern“

Der philippinische Soziologe Walden Bello, prominenter IWF- und Weltbank-Kritiker, über die Lehren des Fonds aus der Asienkrise

taz: In fast allen asiatischen Staaten, die 1997 und 98 von der Krise betroffen waren, gibt es heute ein großes Wirtschaftswachstum. Ist die Krise überwunden?

Walden Bello: Das haben manche Ökonomen schon im Frühjahr 1998 behauptet und ein Jahr später noch mal. Doch immer dann ist etwas passiert. In den vergangenen Monaten ist deutlich geworden, dass Thailand, Indonesien und die Philippinen nicht deshalb in der Krise sind, weil deren Währungen abgewertet wurden, sondern weil Kapital völlig unkontrolliert hin- und her transferiert wurde. In den letzten Monaten haben die Währungen dieser drei Länder im Verhältnis zum US-Dollar wieder um 10 bis 15 Prozent ihres Werts verloren. Das zeigt, wie instabil die finanzielle Situation dieser Staaten weiterhin ist. Auch die Situation der Banken ist angespannt. In Thailand gelten 40 Prozent der Bankkredite als „faul“, in Südkorea und den Philippinen um die 15 Prozent. Und von Indonesien weiß man, dass es kein funktionierendes Finanzsystem hat.

Trotzdem verzeichnen die meisten Krisenländer Wirtschaftswachstum.

Ja, aber es ist nicht nachhaltig. Es beruht mehr auf Konsum als auf Investitionen. Ein weiterer Grund sind die gestiegenen Exporte in die USA, womit die Abhängigkeit von der US-Konjunktur gewachsen ist. In die Krisenstaaten fließt ausländisches Kapital, doch nicht, um neue Produktionsbetriebe aufzubauen, sondern um koreanische, philippinische oder thailändische Firmen günstig aufzukaufen, die massiv an Wert verloren haben. Man kann deshalb nicht von einer Erholung sprechen. Als einziges Land hat sich Malaysia beim Wachstum wie auch bei der Währungsstabilität wirklich erholt.

Hat Malaysia damit das Gegenteil von dem gemacht, was der IWF den anderen Ländern aufzwang?

Ja. Malaysias Staatsausgaben konnten den Rückgang der Privatinvestitionen neutralisieren. Malaysia band seine Währung an den US-Dollar, als der IWF allen Ländern sagte, nur der Markt dürfe die Wechselkurse bestimmen, womit in erster Linie ausländische Investoren und Währungsspekulanten gemeint sind. Und Malaysia hat 1998 und teilweise 1999 Kapitalverkehrskontrollen verhängt sowie feste Wechselkurse eingeführt und damit verhindert, dass Spekulationskapital die Wirtschaft destabilisieren kann. Mittlerweile räumt sogar eine IWF-Studie ein, dass Kapitalverkehrskontrollen eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der malaysischen Wirtschaft gespielt haben. Finanzpolitisch hat Malaysia einen angemessenen Kurs eingeschlagen, obwohl die Bilanz in Sachen Demokratie und Menschenrechte negativ ist.

Hat der IWF die richtigen Lehren aus der Asienkrise gezogen?

Der Internationale Währungsfonds will immer noch nicht anerkennen, dass seine Politik die Krise von 1997 und 1998 verursacht hat, weil die Liberalisierung der Kapitalmärkte zunächst zu einem großen Zufluss, und dann auf einmal zu einem massiven Abfluss von Kapital geführt hat.

Auch will der IWF nicht sehen, dass sein Krisenmanagement zur Stabilisierung der angeschlagenen Volkswirtschaften schlecht war. Zwar erkennt eine IWF-Studie an, dass in Malaysia die Kapitalverkehrskontrollen funktioniert haben. Doch fragt man den IWF, ist er immer für eine möglichst starke Liberalisierung der Finanzmärkte. Ich sehe deshalb nicht, dass der IWF bereit ist, seinen Kurs zu ändern. Der IWF scheint das Gefühl zu haben, dass, wenn er Fehler einräumt, er sich den Forderungen nach Wandel kaum noch verschließen kann. Deshalb bleibt er stur.

Interview: SVEN HANSEN