Köhler will Empfängerländer stärker in die Pflicht nehmen

Der neue IWF-Chef eröffnete gestern die Prager Tagung. Reformen müssten sein, sagte er. Er werde aber nicht für „hausgemachte Probleme“ der Kreditnehmer geradestehen

PRAG taz ■ Wenn es den Internationalen Währungsfonds nicht schon gäbe, wäre es jetzt, angesichts der Herausforderungen der Globalisierung, Zeit, ihn zu erfinden, sagte IWF-Chef Horst Köhler gestern in seiner Begrüßungsrede zur Eröffnung der IWF- und Weltbanktagung in Prag. Der Fonds soll nach Köhlers Wunsch wie bisher für Wachstum, Marktöffnung und stabile Rahmenbedingungen stehen.

Andererseits ist der neue IWF-Chef, dessen Rede mit Spannung erwartet worden war, aber offensichtlich nicht bereit, seine Institution weiter zum alleinigen Buhmann für Kritiker und Globalisierungsgegner machen zu lassen. Er forderte die Industrieländer auf, ihre Grenzen für Produkte der Entwicklungsländer zu öffnen. „Das ist der Schlüssel zur Bekämpfung zur Armut“, sagte er. Aufgabe des Fonds bei der Armutsbekämpfung sei es, zu beraten und sich für die Verbesserung der ökonomischen Grundlagen einzusetzen. „Hausgemachte Probleme“ wie schlechte Führung, Korruption und bewaffnete Konflikte müssten die Länder selber lösen.

Daran, Kredite nur unter Bedingungen zu vergeben, will Köhler festhalten. Allerdings sollten die Länder die Maßnahmen auch umsetzen wollen und können. „Weniger kann mehr sein“, warnte Köhler vor zu hohen Anforderungen des Fonds an die Regierungen. Der Fonds steht in der Kritik, die Interessen seiner größten Geldgeber durchzusetzen und nicht die seiner Kunden. Außerdem müssten die sozialen Auswirkungen der Programme „berücksichtigt werden“, genauso wie die kulturellen und historischen Eigenheiten der einzelnen Länder. Der Fonds solle beraten und keine „Vorlesungen halten“.

Köhler ist der Überzeugung, wenn die Mitgliedsländer nur genügend Verantwortung übernähmen, dann hätte die Globalisierung für alle Vorteile. Er knüpfte an den Appell des tschechischen Präsidenten Václav Havel an, der für mehr Moral und ethische Grundsätze plädiert hatte, und zitierte den Theologen Hans Küng: Für eine globale Ökonomie brauche es eine globale Ethik.

Zur Verbesserung der Welt hat der IWF Köhlers Meinung nach schon beigetragen, indem der Fonds die weltweite Demokratisierung vorangetrieben hat. Von der jahrzehntelangen Unterstützung für Diktaturen wie die Suhartos, Pinochets und Mobutus durch seine Institution redet er nicht.

Auf die größte Anforderung an den Fonds, zukünftig früher und besser auf drohende Finanzkrisen zu reagieren, ist der IWF nach Ansicht seines Chefs gut vorbereitet. Die bisherigen Maßnahmen zur Verbesserung der internationalen Finanzarchitektur wie eine erhöhte Transparenz hätten dazu geführt, dass man besser dastünde als vor dem Ausbruch der Asienkrise. Aber auch hier sei es Sache der IWF-Mitgliedsländer, Reformen durchzuführen, die sie vor neuen Krisen schützen. Solche Krisen auf dem internationalen Finanzmarkt könne der Fonds nicht verhindern, „aber unsere Arbeit soll Krisen weniger häufig und weniger ernst machen“.

Der Präsident der Weltbank, James Wolfensohn, appellierte in seiner Rede an die reichen Länder, ihre bilaterale Entwicklungshilfe zu erhöhen und ihre Grenzen zu öffnen. „Etwas läuft schief, wenn die reichsten 20 Prozent der globalen Bevölkerung mehr als 80 Prozent des globalen Einkommens erhalten“, sagte er. Viele armen Länder hätten ihren Teil der Verantwortung erfüllt, nun seien die entwickelten Länder an der Reihe, sich einzusetzen. Mit Blick auf den weiterhin fehlenden Beitrag der USA zum Schuldenerlass der ärmsten Länder (HIPC) forderte er die Finanzierung des Erlasses. Angesichts der globalen Wirtschaftslage und guten Aussichten gebe es eine „historische Möglichkeit“, bei der Armutsbekämpfung Ziele zu erreichen, die genutzt werden müsse.

MAIKE RADEMAKER