Jobs rar, Babys rar

In den letzten zehn Jahren hat sich die Situation der Frauen im Osten dramatisch verändert

von COSIMA SCHMITT

Jede Fünfte, die einen Job will, findet keinen, jede Zweite ist unterbeschäftigt, und im statistischen Durchschnitt hat jede nur ein Kind: Ostdeutsche Frauen arbeiten und leben heute grundlegend anders – anders als vor der Wende, anders als die Frauen im Westen und anders als die Männer. Im Auftrag der PDS-Bundestagsfraktion hat das Sozialwissenschaftliche Forschungszentrum Berlin-Brandenburg untersucht, wie sich das Frauenleben in den zehn Jahren seit der Wiedervereinigung gewandelt hat.

„Was Ostfrauen an politischer Partizipation gewonnen haben, haben sie an ökonomischer und sozialer Unabhängigkeit verloren“, resümiert Petra Bläss, Bundestagsvizepräsidentin und frauenpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion. Im Jahr der Wende arbeiteten 90 von 100 ostdeutschen Frauen – jetzt sind es gerade noch 48 Prozent. Außerdem belegt die Studie eindringlich: Frauenarbeit in Ost und West unterscheidet sich grundlegend. Im Westen liegt die Arbeitslosenquote bei Frauen wie Männern bei knapp 9 Prozent. Im Osten sind 20 Prozent der Frauen und 15 Prozent der Männer arbeitslos. Selbst gut ausgebildete Frauen finden immer seltener einen Job. Und während Westfrauen vor allem der Familie zuliebe eine halbe oder stundenreduzierte Stelle annehmen, gab die Hälfte aller ostdeutschen Teilzeitarbeiterinnen an: Eigentlich hätten sie lieber Vollzeit gearbeitet, aber keinen Job gefunden. Insgesamt sind 51,6 Prozent der Ostfrauen unterbeschäftigt – gegenüber 23 Prozent im Westen.

Noch ein tief greifender Wandel: Ostdeutsche Frauen bekommen 40 Prozent weniger Kinder als noch vor zehn Jahren. Ein Grund hierfür mag – neben Zukunftsängsten – auch sein, dass sich die einst optimale Rundumbetreuung verschlechtert hat: Vor zehn Jahren wurden noch 80 Prozent der Babys und Kleinkinder in Tagesstätten betreut. Jetzt sind es nur noch 35 Prozent. Auch die Zahl der Kindergartenkinder sank von 95 Prozent auf 88 Prozent. Im Westen besuchen 78 von 100 einen Kindergarten.

In anderen Bereichen könnten Ostfrauen wiederum ein Vorbild für ihre Westschwestern sein, meint die designierte PDS-Parteivorsitzende Gabi Zimmer. Sie gründen häufiger Unternehmen. Sie steigen eher in Führungspositionen auf – während in bayerischen Unis nur 6,5 Prozent Professorinnen lehren, sind es in Brandenburg 13,7 Prozent. Und sie haben fast alle einen Beruf gelernt: 90 Prozent aller ostdeutschen Frauen haben eine Ausbildung oder die Hochschule abschlossen – in den alten Bundesländern sind es nur 80 Prozent.

Abseits aller Ost-West-Analysen zeigt die Studie aber eins: Die schärfste Trennlinie verläuft nicht zwischen alten und neuen Ländern. Sondern zwischen Männern und Frauen. Westdeutsche Männer verdienen 63 Prozent mehr als Frauen. Im Osten sind es allerdings nur 18 Prozent. Noch stärker differieren die Einkommen der Rentner: Hatten Ostmänner 1990 eine um 29 Prozent höhere Altersrente als die Frauen, so sind es heute fast 42 Prozent. Im Westen beziehen Männer sogar fast 60 Prozent mehr Rente als Frauen. Die PDS setzte sich daher, so Bläss, für ein Rentenkonzept ein, das nicht die „typische Männer-Erwerbsbiographie“ zugrunde legt. Vielmehr sollten auch Frauen ausreichend abgesichert sein, die für ihre Kinder den Beruf aufgaben oder lange arbeitslos waren.

So wenig sich die PDS wohl mit ihrer Rentenreform durchsetzen wird – zumindest eins kann sie für sich in Anspruch nehmen: Als einzige Bundestagsfraktion befand sie es für wichtig, den deutschen Frauen zehn Jahre nach der Wende eine eigene Studie zu widmen.