Karibische Katalogträume

Außer Reggae nichts gewesen: Christoph ist ein Reisejunkie, Zeit und Geld sind keinProblem. Zweimal im Jahr Karibik hin und zurück ist nichts Besonderes, nur ermüdend

Mein Freund Christoph Köller, altlinker Sponti, weltoffen, heute Gymnasiallehrer, war dieses Jahr schon zweimal in der Karibik, mit Frau Christiane, Sohn Jonas und Tochter Anna. Bei den Doppelverdienern und vollberufstätigen Lehrers sind Zeit und Geld kein Problem und die Lust auf sinnliche Gegenwelten groß. Christoph ist ein Reisejunkie, Christiane dem Reisen nicht abgeneigt. Und so verreisen die Köllers jedes Jahr mindestens dreimal: nach Australien oder gleich um die Welt, nach Griechenland oder in die Serengeti.

Schon im Herbst weiß Christoph, wo er seine Dröhnung für nächstes Frühjahr herkriegt: Für die Osterferien 2001 ist bereits Südafrika gebucht. Allerdings individuell, denn seit den Karibiktrips sind die Köllers von pauschal und all inclusive restlos abgenervt. Eine Zeit lang hatten sie diese Reiseform als „besonders familienfreundlich“ und „erholsam“ gepriesen.

Die zwei Wochen DomRep im Frühjahr dieses Jahres seien zwar auch erholsam gewesen, aber doch ein bisschen langweilig“, gesteht Christiane. Das viel gelobte Sportangebot in der Anlage, all inclusive natürlich, musste man sich mühsam erkämpfen, die Miturlauber waren so lala, „nur Ostdeutsche“, und raus aus der Anlage haben sie es kaum geschafft. „War auch zu heiß für die Kinder“, verteidigt sich Christoph. Aber immerhin das Büffet, „dreimal am Tag brechend voll“, sei super gewesen. Christoph klopft sich auf den kleinen Bauchansatz und meint, dass er eigentlich viel Sport treiben und abnehmen wollte.

Jamaika, im Sommer, war dann voll der Flopp: aufdringliche Rastas, der Service in der All-inclusiv-Anlage voll daneben, das Essen bescheiden, der Mietwagen teuer. Zudem hatten Horrorberichte – dass Freunde von Freunden von Bekannten bis aufs Unterhemd ausgeraubt aus Kingston-Town zurückkamen – schon vor Reiseantritt die Eigeninitiative der Köllers gedämpft. Also blieben sie meistens daheim in der Anlage. Drei Wochen ärgerten sie sich über fehlende Angebote, fehlenden Service, fehlende Abwechslung . . . Nun haben sie wegen der vielen Mängel bei ihrem Reiseveranstalter auf Preisnachlass geklagt. Mit Erfolgsausicht.

„Die Karibik“, findet Christoph inzwischen, „ist langweilig, eintönig, immer das Gleiche. Kulturlos. Außer Reggae nichts gewesen.“ Christoph hat die Karibik abgehakt. „Die Anmache der Typen sei unterirdisch direkt“, ergänzt Christiane und erzählt Geschichten von Beachboys an der Hotelbar, die sie beobachtet hat. Nur Sohn Jonas widerspricht: Er findet das Englisch dort ziemlich cool.

Christoph jedenfalls träumt klammheimlich von anderen Reisen: Er möchte einmal mit dem Rucksack ganz unbeschwert durch Spanien wandern oder durch den Harz. Ohne Kinder und wahrscheinlich auch ohne Christiane. Die schwärmt nämlich von einer Ayurveda-Kur, am liebsten ganz nah in Brandenburg. Irgendwann nach dem Südafrikatrip... EDITH KRESTA