Was ist ein Auto?

■ Oder: Autofreiheit, das ist immer die der Anderslenkenden

„Was ist ein Auto?“ – Das ist die Frage, die Michelin Foucault 1969 vor der französischen Gesellschaft für Philosophie gestellt hat. In ihren Ausführungen hinterfragte sie das Programm und Glaubensbekenntnis der motorisierten Gesellschaft: René Descars „Ich lenke, also bin ich“. Foucault plädiert für die Auflösung des einheitlichen Autobegriffs: „Das Auto ist ein Anderes“. Die Forderungen, die sich aus Foucaults Analysen ergeben, sind bis heute uneingelöst.

Noch immer identifizieren sich die Fahrer über das Lenken, das sie mit „ihrem“ Auto eins werden lässt. Das wird dieser Tage deutlich wie nie. Denn die steigenden Benzinpreise gefährden die ständig notwendige Wiederholung dieser Verkennung. So erklärt sich Aggressivität der Fahrer: Täglich muss gelenkt und die Andersheit des Autos verleugnet werden.

Ein Tag ohne Lenken könnte dagegen die Morgendämmerung des Neuen Autos sein. Schon F. T. Marinetti schrieb im futuristischen Manifest vom Glück, sich vom Wagen in den Graben fahren zu lassen. Und wer nie ein Auto in einer Barrikade hat brennen sehen, weiß sehr wenig. Doch auch im bloßen Herumstehen kann das Auto mehr als öffentlichen Raum klauen – wenn es entprivatisiert würde. Das Auto stehen lassen? Ja! Aber es muss allen offenstehen. Gerade zu Herbstanfang wird klar, wie nützlich die trockenen, windgeschützten Räume aus Blech sind: nach der Kneipe noch nicht ausgetauschte Küsse und Worte fänden hier ihren Platz.

Das Foucaultsche Programm des Neuen Autos wurde bisher am konsequentesten von den Hamburger Crash-Kids umgesetzt: Das Auto will enteignet sein. Es will täglich andere Schicksale lenken und erst wenn es an der Leitplanke Funken schlägt, „erfährt es sich in die Zer-splitterung“ (Foucault). Mühsam versuchen die Staatsapparate mit ihren Gesetzen und Gerichten die Lackschicht des unversehrten, einheitlichen Autos zu erhalten. Hilflos bemühen sich Autofirmen, die Heterogenität mit postmoderner Buntheit zu bannen. Traurigstes Beispiel: Der VW-Polo „Harlekin“. Aber das Neue Auto lässt sich nicht aufhalten. Kinder wissen davon. Sie fahren auf Schrottplätzen durch die ganze Welt.

Ole Frahm/Torsten Michaelsen