Hoffen auf sechs Richtige

■ Heute entscheidet die Kulturdeputation, wie das Etatloch zu stopfen ist. Schließungen soll es nicht geben. Doch bis zum Frühjahr wird die Szene einschneidend verändert

Heute tagt die Kulturdeputation und wird darüber entscheiden, wie die Lücke von 2,25 Millionen Mark im Kulturetat des nächsten Jahres geschlossen werden kann. Nach Auskunft der Deputationssprecherin Carmen Emigholz (SPD) wird es nicht zu Schließungen von Kultureinrichtungen kommen. Überplanmäßige Einsparungen bei den Personalkosten der Kulturverwaltung in Höhe von einer Million Mark sowie eine Umstellung der Fördermodalitäten sollen stattdessen das Loch schließen. Geplant ist, viele kleinere Einrichtungen zukünftig aus dem Wettmitteletat zu finanzieren und dadurch den Kulturhaushalt zu entlasten. Dazu zählen einige Künstlerverbände, der Konzertveranstalter dacapo, das Schnürschuhtheater oder der Vegesacker Kulturbahnhof. Im Gespräch mit der taz erläuterte Emigholz die Hintergründe dieser Planungen.

taz: Warum plant die Koalition, den Wettmitteletat bei der Finanzierung von Einrichtungen stärker zu beanspruchen als bisher?

Carmen Emigholz: Bei der Schließung von Etatlücken gab es bislang immer zwei Optionen: Schließung von Einrichtungen oder Kürzung des Wettmitteletats. Wir wollen das Problem jetzt anders angehen. Aus dem Kulturhaushalt werden viele kleinere Einrichtungen in Zukunft nur noch ihre Stellen und die Betriebskosten finanziert bekommen. Für künstlerische Projekte und besondere Aktivitäten werden sie nunmehr Anträge stellen müssen, die dann aus dem Wettmitteltopf bestritten werden. Damit machen wir Kulturpolitiker klar, dass wir am Rande unserer finanziellen Möglichkeiten sind und dass vor diesem Hintergrund die Haushaltsplanung des Senats bis 2005 sorgfältig geprüft und überdacht werden muss. Zugleich signalisieren wir aber der Kulturszene, dass wir stärker als bisher innovative Anreize fördern möchten. Projektanträge, die neue Impulse für die jeweilige Kunstsparte versprechen, sollen bevorzugt werden.

Teilen Sie die Position des CDU-Fraktionsvorsitzenden Jens Eckhoff, der im taz-Interview kürzlich erklärt hat, er halte eine Einfrierung des Kulturetats auf dem jetzigen Stand bis 2005 für realistisch? Damit würde der Kulturetat entkoppelt vom Sanierungsplan des Senats, der ja bis 2005 eine Reduzierung des Haushalts um 30 Prozent vorsieht.

Wenn man Kulturentwicklungsplanungen attraktiv für die Einrichtungen gestalten will, muss man ihnen auch etwas anbieten. Das größte Manko für die Einrichtungen ist die fehlende Planungssicherheit angesichts unklarer Kulturetats. Es würde also Sinn machen, dieser Unsicherheit zu begegnen durch langfristige Zusagen über die Höhe des Kulturetats. Nun sind politische Entscheidungen dieser Art aber immer das Resultat komplizierter Verhandlungen mit den anderen Ressorts. Bevor ich also nicht weiß, welcher Preis dem Kulturressort dabei abverlangt wird für das Einfrieren des Etats bis 2005 bin ich vorsichtig mit solchen Aussagen. Mögliche Verhandlungsergebnisse zu verkünden, ehe sie verhandelt sind, kann der Sache auch abträglich sein, selbst wenn ich sie als Fachpolitikerin voll unterstütze.

Wenn künftig Antragsteller an den Wettmittelbereich verwiesen werden, die bislang aus dem Haushalt gefördert wurden, verstärkt das die Konkurrenz zwischen jenen Institutionen, die von diesen Mitteln leben müssen?

Das ist definitiv so. Aber wir hatten in der Vergangenheit eine noch schwierigere Konstellation, insofern die Wettmittel von vornherein als Spar-Kasse hergenommen wurden und die Kürzungsquoten dort überproportional zum Tragen kamen. Deshalb wurden früher pauschal Beträge in beträchtlicher Höhe im Wettmitteltopf gleich gesperrt und gar nicht erst ausgezahlt. In diesem Jahr haben wir den Wettmitteltopf erstmals komplett entsperrt und er wurde auch nicht für Kürzungen herangezogen. Es gibt also zukünftig nicht nur mehr Antragssteller, sondern auch mehr Geld.

Wie hoch ist der Wettmitteletat?

Bis Ende 2001 hat er ein Volumen von etwa zwei Millionen Mark. Hinzu kommt eine entsperrte Rückstellung aus diesem Jahr von 250.000 Mark. Auf dieser abgesicherten Basis müssen wir nun spätestens bis zum Frühjahr die Strukturveränderungen auf den Weg bringen, die uns wieder einen finanziellen Spielraum im Kulturhaushalt eröffnen.

Ist Strukturveränderung nicht bloß ein anderes Wort für Schließung?

Nein. Eine Frage wird zum Beispiel sein, wie das Kulturangebot in Bremen-Nord künftig aussehen kann. Dabei wird es um vermehrte Kooperationen gehen, um ein einheitliches Management. Durch derartige Konzentrationen lässt sich Geld einsparen, ohne dass das Angebot verschwindet.

Nochmals: Werden Einrichtungen schließen müssen?

Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, Strukturveränderungen immer unter dem Gesichtspunkt möglicher Schließungen zu diskutieren. Es geht nicht um den bedingungslosen Erhalt jeder Einrichtung, sondern um die Bewahrung des Kulturangebots. Bestand an sich ist kein Eigenwert.

Nennenswerte neue Spielräume im Kulturbereich durch Strukturveränderungen können doch nur erzielt werden, wenn auch das Bremer Theater als weitaus größter Subventionsempfänger wieder ins Visier genommen wird. Wird es auch da zu Veränderungen kommen?

Wir möchten, dass die Kultureinrichtungen zukünftig ihre Betriebs- und Personalkostensteigerungen selber erwirtschaften. Das führt bis 2005 zu Belastungen in einer Größenordnung von etwa zwei Millionen Mark. Das können die Einrichtungen nicht durchgängig sofort aufbringen. Mit diesem Problem müssen wir umgehen, das heißt, wir müssen in Kooperation mit kmb und Fachverwaltung pauschalieren, wie groß der finanzielle Puffer sein muss, den wir öffentlich zurückhalten müssen, um flexibel mit diesem Problem umgehen zu können. Mit anderen Worten: Die anvisierten Strukturveränderungen machen nur Sinn, wenn an ihrem Ende so viel finanzieller Spielraum entsteht, dass wir damit den Problemkomplex Betriebs- und Personalkostensteigerung lösen können. Wir müssen also schon früh über Strukturveränderungen diese zwei Millionen Mark im Kulturetat freisetzen, damit anschließend der Prozess bis 2005 von solchen Fragen unberührt bleibt. Wir müssen also jetzt den Mut haben, die Strukturen in einer einmaligen Kraftanstrengung einschneidend zu verändern. Beim Theater bedeutet das zum Beispiel, dass wir konsequent die Ergebnisse der Strukturreformkommission umsetzen und das Tarifsystem neu gestalten. Der Intendantenvertrag steht dabei nicht zur Diskussion, denn gutes Theater ist nur unter klaren finanziellen Rahmenbedingungen zu machen.

Wieso soll etwa das Theater seine Tarifsteigerungen selbst erwirtschaften, während für alle anderen Bereiche des öffentlichen Dienstes gilt, dass die dort durch Etaterhöhungen aufgefangen werden?

Wir verlangen vom Theater nichts, was von anderen Bereichen nicht auch erwartet wird. Wir haben kürzlich zunächst die Privilegierung des Theaters beendet, indem die vielfältigen Hausvereinbarungen im Theater aufgekündigt worden sind. Im nächsten Schritt soll das Theater von der öffentlichen Hand die Infrastruktur erhalten, die es ihm überhaupt ermöglicht, Arbeitsabläufe sparsamer zu gestalten. Wir haben doch beispielsweise nicht knapp zehn Millionen Mark in die neue Probebühne investiert, wenn wir uns nicht davon versprechen würden, dass das auf der anderen Seite zu Einsparungen bei Fahrzeiten und Überstunden in beträchtlichem Ausmaß führt. Diese Einsparpotenziale müssen wir suchen und dann sehen, ob wir eine Flexibilität erreichen, die dem Theater dann die Finanzierung der Tarifsteigerungen ermöglicht. Wir verlangen also keine zusätzlichen finanziellen Anstrengungen vom Theater.

Sie haben gerade erläutert, dass diese Strukturveränderungen in enger Kooperation mit der Kulturverwaltung entwickelt werden. Entdeckt die SPD also gerade ihr Herz für die Verwaltung, wo der Koalitionspartner CDU in Gestalt von Fraktionschef Eckhoff eben diese Verwaltung als auszumistenden Laden betrachtet, den man so schnell wie möglich durch die kmb ersetzen soll?

Ich bin immer gegen Pauschalverurteilungen. Mit einem Großteil der Fachreferenten der Kulturverwaltung haben wir immer gut kooperiert. Es hat in der Vergangenheit Reibungsprobleme zwischen Verwaltung un der neu gegründeten Kontrollinggesellschaft kmb gegeben. Eckhoff will diese Probleme aus der Welt schaffen, indem er die Verwaltungsaufgaben drastisch reduziert. Das halte ich für zu radikal und damit gefährlich: Um Kompetenzgerangel zu beseitigen, muss nicht zwingend die Verwaltung privatisiert werden, zumal eine Privatisierung rechtliche Strukturen mit sich bringt, die selber nicht unproblematisch sind.

Die CDU will die Beleihung, die SPD nicht – keine einfache Ausgangsposition für eine Koalition.

Das ist nun mal der derzeitige Stand. Aber niemandem ist geholfen, wenn wir dieses Sachproblem zu einer Frage des Gesichtsverlusts stilisieren. Es gibt bei SPD und CDU eine große Übereinstimmung darüber, dass wir Doppelarbeit zwischen Verwaltung und kmb vermeiden wollen. Die SPD hat nun einen Vorschlag erarbeitet, wie zum Beispiel durch die Veränderung des kmb-Geschäftsbesorgungsvertrages das Kompetenzgerangel aus der Welt zu schaffen wäre. Wir sehen das als Diskussionsmodell, und darüber müssen wir nun mit der CDU reden.

Fragen: Christoph Köster, Franco Zotta