„Keine typische Tat“

Polizei schließt bei Tötung eines Obdachlosen in Schleswig rechte Motive aus. Staatsanwältin ist sich nicht so sicher

BERLIN taz ■ Klar ist bisher: In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch vergangener Woche wurde ein 45-jähriger Obdachloser in Schleswig von zwei Skinheads totgetreten. Die beiden 23-Jährigen haben gestanden und sitzen in Untersuchungshaft. Unklar ist noch, ob bei der Tat rechtsextreme Motive eine Rolle spielten.

Während die Polizei eine rechtsextremistische Tat ausschließt, erklärte die Sprecherin der Flensburger Staatsanwaltschaft gestern gegenüber der taz: „Wir werden auch in diese Richtung weiterermitteln.“ Staatsanwältin Ulrike Stahlmann-Liebelt geht zwar davon aus, „dass es keine typische rechtsextreme Tat“ war, weil die Täter „nicht gezielt gegen Randgruppen oder Minderheiten“ losgegangen seien. Es sei aber möglich, dass es bei dem Streit zwischen Tätern und Opfer „eine Rolle spielte“, dass der 45-Jährige obdachlos war.

Es wäre nicht das erste Mal, dass rechte Täter ganz bewusst gegen sozial Schwächere vorgehen (siehe Kasten). Der Berliner Rechtsextremismus-Experte Bernd Wagner wies gestern darauf hin, dass bei vielen rechts eingestellten Jugendlichen „ein automatisches Verhaltensprogramm“ abläuft, wenn sie in Konflikt mit Obdachlosen geraten. Deren Leben werde oft als „unwert“ betrachtet. Die Hemmschwelle, gegen sie brutal vorzugehen, sei dann entsprechend niedrig.

Nach Darstellung der Polizei hatte sich der 45-Jährige am Dienstag zu einer „Personengruppe“ gesellt, die auf den Schleswiger Königswiesen große Mengen Alkohol konsumiert hatte. Zunächst sei er „geduldet“ worden. Erst am späten Abend, als nur noch die beiden 23-Jährigen und ihr späteres Opfer übrig geblieben waren, habe sich „ein Streitgespräch“ entwickelt, das in einer „körperlichen Auseinandersetzung eskalierte“. Als Motiv für ihr gewalttätiges Vorgehen nannten die Täter „ein provozierendes und beleidigendes Verhalten des 45-Jährigen in Bezug auf Skinheads“.

Warum sie sich beleidigt fühlten, konnte der Polizeisprecher nicht sagen. Die Bezeichnung „Skinhead“ allein kann es nicht gewesen sein. Die Männer bezeichneten sich selbst so. Offenbar planten sie auch, am vergangen Samstag an der Neonazi-Demo in Neumünster teilzunehmen. Und auch wenn sie es nicht als Motiv nannten: Den Tätern war klar, dass es sich bei ihrem Opfer um einen Obdachlosen handelte. Wie der Polizeisprecher mitteilte, sprachen sie bei ihrer Vernehmung von „einem Penner“. LUKAS WALLRAFF