Make theatre, not war

■ Die Jugendtanztruppe des renommierten ugandischen Theaters Ndere Troupe gab Bewegungs-Nachhilfe für Bremer GrundschülerInnen und eine Show in Gemeindehaus

Durch die Oslebshauser Turnhallenfenster fällt spärliches Herbstlicht. 20 Drittklässler gehen im Kreis und schwenken die Arme abwechselnd rhythmisch nach vorn. Dazu singen sie „Nah, na-na-na Nah – Peace!“ Dann wechselt die Richtung und es geht von vorne los. In der Mitte macht Amina Namakula die Bewegungen vor. Die GrundschülerInnen verstehen zwar ihre englischen Worte nicht, aber mit Gesten bekommt sie, was sie von ihnen will. Wer mit den Bewegungen nicht hinterherkommt, erhält Hilfestellungen von den Nachwuchs-Tänzerinnen der Ndere Kids, die alle das gleiche farbenfrohe Hemd tragen.

„Hier sind einige Talente dabei“, sagt die Tanzlehrerin aus Uganda mit einem verschmitzten Lächeln. Manche tun sich aber auch noch schwer mit den in zwei Stunden erlernten Bewegungsabläufen. Vor allem als es an die „Vorführung“ geht, kriegen die Steppkes einen kleinen Schreck. Schnell noch mal ausruhen, bedeutet Namakula ihnen ohne Worte und in Sekunden lümmeln sich die Kinder mucksmäuschenstill auf den Gummi-Turnhallenboden – als wäre es eine Sommerwiese, den Kopf beim nächstgelegenen Mitschüler auf den Bauch gebettet.

Dann ist es so weit: Alle, die noch in der Schule Auf den Heuen weilen, strömen grölend und kreischend in die Halle. Zwei Jungen westafrikanischer Abstammung brechen in lautes Gelächter aus, als sie ihre MitschülerInnen mit bunten Baströckchen sehen. Das hierzulande typische Accessoire zum Afrika-Klischee ist in Uganda durchaus übliches Tanzutensil – zur Betonung des Hüftschwungs, aber auch nur dazu.

Die übrigen DrittklässlerInnen kommen mit ugandischen Instrumenten dazu, auf denen sie soeben einen Crashkurs bei den Jungen der Ndere Troupe absolviert haben. Sie begleiten erst die Tanzeinlage und geben dann eine Kostprobe des soeben Erlernten. Auch wenn es noch ein bisschen holprig klingt: Die MitschülerInnen sind begeistert. Nur mit dem Hintergrund sind sie nicht ganz vertraut: „Was Amerikanisches“, meint ein Mädchen gehört zu haben; einen „Huga-Huga-Tanz“ ein Junge.

Als die Pausenglocke ein Uhr anzeigt, stürmen die meisten Kinder aus der Halle. Die ugandischen Gäste sind sichtlich geschafft. Das ist schon ihr zweiter Workshop an einem Vormittag, vorher waren sie in der Grundschule an der Nordstraße, am Abend steht noch ein Auftritt im Immanuel-Gemeindehaus auf dem Programm. Derart unbändige Kinder sind die Gäste nicht gewohnt: In ihrer Heimat ist der Schulbesuch ein Privileg, das niemand verlieren will. Wenn die Disziplin dennoch mal zu wünschen übrig lässt, gibt's vom Lehrer was hinter die Ohren.

Jetzt müssen die selbst gebauten Instrumente zerlegt werden, damit sie zu den acht KünstlerInnen in den Kleinbus passen. Damit sind sie insgesamt sechs Wochen quer durch Deutschland unterwegs – mit Station in über 20 Städten. Die Tournee ist Teil der „Kinderkarawane“, mit der das Hamburger Büro für Kultur- und Medienprojekte und der Kirchliche Entwicklungsdienst für weltweite Kinderrechte werben. Außer den Ndere Kids touren sechs weitere Gruppen aus Bolivien, Indien, den Philippinen, Rumänien, Südafrika und Uruguay durch Deutschland. Die meisten von ihnen bestehen aus Straßenkindern.

Ndere Kids hat sich allgemein sozial benachteiligten Kindern verschrieben. Sie werden, wenn sie talentiert sind, gezielt gefördert und erlernen Musik, Tanz, Drama und Poesie. Dazu haben sie die Möglichkeit, in der ugandischen Hauptstadt kostenlos zu wohnen und die Schule zu besuchen – in dem ostafrikanischen Land keine Selbstverständlichkeit. Auch die von der Regierung eingeführte kostenlose „Grundschule für alle“ gilt nur für maximal vier Kinder pro Familie.

Annet Kugonza zum Beispiel hat einen Bruder und fünf Schwestern. Sie hatte das Glück, dass ihre Tante sie aus ihrer Heimat zum renommierten Hauptstadt-Theater Ndere Troupe gebracht hat, wo ihr Talent erkannt wurde. Mit 14 Jahren kam sie ins Theater-Internat. Wenn die heute 18-Jährige die Schule abgeschlossen hat, will sie Tourismus studieren – auch das ermöglicht ihr die Theater-Kompanie. Ihre Familie hat sie allerdings lange nicht gesehen – seit sie bei einem Besuch nur knapp der Entführung oder Ermordung durch Rebellen entging, fürchtet sie die Heimreise in den Westen des Landes.

„Ndere ist ein Produkt des Friedens“, sagt Amina Namakula. Der ist in Zentraluganda nach 15 Jahren Bürgerkrieg 1986 eingekehrt. „Da haben alle neuen Mut geschöpft.“ Das Theater, das aus dem Nichts gegründet wurde und sich weitgehend allein finanziert, hat sich mit beißend-kritischen Stücken über Korruption und Klientelismus einiges Prestige erworben. Staatspräsident Yoweri Museveni hat das Theater trotzdem für sich entdeckt und präsentiert seinen Gästen gern Aufführungen der Truppe.

Jan Kahlcke