FDP für Söldnerheer

Überraschend deutliche Mehrheit auf liberalem Parteitag für Aussetzung der Wehrpflicht. Alte Garde wurde überstimmt, Möllemann ausgebremst

BERLIN taz ■ Mit einer größeren Mehrheit als erwartet stimmten die Delegierten auf dem Sonderparteitag der Liberalen gestern in Berlin für die Aussetzung der Wehrpflicht. 377 von 623 Delegierten stimmten für eine Freiwilligenarmee. 245 waren für die Beibehaltung der Wehrpflicht, wie sie altgediente Prominente der Partei wie Klaus Kinkel, Hermann Otto Solms oder Jörg van Essen forderten.

Zuvor hatte die Parteispitze dafür gesorgt, dass der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Jürgen W. Möllemann den Parteitag nicht zu persönlichen Profilierungsauftritten gegen den Parteivorsitzenden Wolfgang Gerhardt nutzen und somit die Personaldiskussion wieder neu entfachen konnte. „Alle Führungsgremien waren sehr bemüht, alle möglichen Klippen aus dem Weg zu räumen“, umschrieb Generalsekretär Guido Westerwelle gestern die Auseinandersetzungen am Vorabend.

Möllemann wie auch Gerhardt hatten sich in unterschiedlichen Anträgen für eine Aussetzung der Wehrpflicht ausgesprochen. Möllemann gilt schon seit langem als Gegner derselben. Gerhardt befürwortete lange die Beibehaltung des Militärdienstes. Dies hätte auf dem Sonderparteitag zu einem Machtkampf zwischen ihm und Möllemann führen können. Dem beugte Gerhardt vor, indem er elegant seine Haltung änderte, nachdem Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) seine Reform der Bundeswehr vorgestellt hatte. Die bietet laut Gerhardt keine Wehrgerechtigkeit mehr und deswegen ist er nun auch für eine Aussetzung der Wehrpflicht.

Möllemann wollte sich seinen großen Auftritt auf dem Parteitag dennoch sichern und weigerte sich auch noch am Vorabend, seinen eigenen Antrag zurückzuziehen und sich dem des Vorstands anzuschließen. Daraufhin entschied der Vorstand, dass nicht über einzelne Anträge, sondern lediglich über die Kernaussagen der unterschiedlichen Positionen abgestimmt werden sollte. Es ging letztlich also nur um die Kernfrage: Aussetzung der Wehrpflicht oder Beibehaltung der Wehrpflicht.

Möllemann, der mit einer Redezeit von fünf Minuten keine Möglichkeit hatte, sich im offiziellen Teil der Veranstaltung als künftiger großer Mann der Liberalen zu profilieren, nutzte die Gelegenheiten dafür am Rande des Parteitages. „Wenn die FDP der Meinung ist, ich soll das machen, würde ich nicht Protest schreien“, machte er seinen Anspruch auf eine herausragende Position in der Partei – am liebsten als Kanzlerkandidat – im Foyer deutlich, während im Saal Fachleute über das Pro und Contra der Wehrpflicht diskutierten. Möllemann hatte diesmal keine Chance, aber seine Streitkraft hat höchstens einen Dämpfer bekommen. KARIN NINK