Eine Frau wird Dreßlers Nachfolger

Die SPD-Fraktion hat für ihren scheidenden Sozialpolitiker Rudolf Dreßler eine Nachfolgerin gewählt. Gegenkandidat Schreiner unterliegt mit 21 Stimmen Differenz. Gudrun Schaich-Walch will besseres Verhältnis zur Gesundheitsministerin

von KARIN NINK

Die Wahl fiel knapper aus als erwartet. Nur 21 Stimmen Vorsprung konnte die neue stellvertretende SPD-Fraktionschefin Gudrun Schaich-Walch bei ihrer Wahl am Montagabend für sich verbuchen. 134 Bundestagsabgeordnete der SPD hatten für sie gestimmt. Für den Gegenkandidaten, den ausgewiesenen Parteilinken und Lafontaine-Vertrauten Ottmar Schreiner, votierten 113. Das ist viel, wenn man bedenkt, dass der Fraktionsvorstand sich in seiner Klausurtagung erst kürzlich mit 27 zu 12 Stimmen für die Frankfurter Genossin ausgesprochen hatte und man selbst in linken SPD-Kreisen davon ausging, dass der Saarländer Schreiner deutlich unter 100 Stimmen liegen würde.

In der Fraktionsitzung am Montagabend schien sich das Blatt aber zu wenden. Schreiner, der im Frühsommer vorigen Jahres vom Parteivorsitzenden und Kanzler Schröder infolge des überraschenden Rückzugs von Oskar Lafontaine als SPD-Bundesgeschäftsführer abgemeiert worden war, verwies am Montagabend in einer launigen und witzige Rede darauf, dass er trotz dieses Affronts nie nachgetreten habe. Dafür erntete er nicht nur ein freundliches Nicken des Kanzlers Schröder, sondern auch den größeren Applaus der Fraktionsmitglieder. Dennoch gewann Schaich-Walch die Wahl und ist von dem Ergebnis auch nicht enttäuscht. „Das sind an die 60 Prozent, und es ist ein Ergebnis, mit dem alle gut leben können.“

Im Vorfeld der Wahl für die Nachfolge von Rudolf Dreßler, der als Botschafter nach Israel geht, hatten sich sowohl Bundeskanzler Schröder als auch SPD-Fraktionschef Peter Struck für Schaich-Walch stark gemacht. Wesentlich war dabei, dass die 54-Jährige schon seit Jahren im Schatten von Dreßler intensiv Gesundheitspolitik betrieben hat und als Fachfrau auf diesem Gebiet gilt. Schreiner ist ein Arbeits- und Sozialexperte, der mit Gesundheitspolitik aber nie viel am Hut hatte. Außerdem wird Schaich-Walch ein guter Draht zu der grünen Gesundheitsministerin Andrea Fischer nachgesagt: ein weiterer Grund, warum die Fraktionsspitze die Genossin für das Amt der Stellvertreterin favorisierte. Die Attacken, die Dreßler als Gesundheitspolitiker und Fraktionsvize immer wieder gegen seine grünen Kollegin fuhr und noch verstärkte, als nicht er, sondern Andrea Fischer Ministerin im rot-grünen Kabinett geworden war, haben der Gesundheitspolitik der Regierung erkennbar geschadet. Künftig wird ein anderer Stil die Diskussionen in der Gesundheitspolitik der Koalition prägen.

Schaich-Walch kündigte gegenüber der taz auch schon an, dass sie „die Zusammenarbeit bei der Entstehung von Gesetzen mit der Ministerin verbessern“ und mit Andrea Fischer gemeinsame Arbeitsstrukturen absprechen will. Die öffentliche Diskussion im Vorfeld, wonach die Wahl zwischen der als eher regierungsfreundlich geltenden Schaich-Walch und dem Kanzler-Kritiker Ottmar Schreiner einem Richtungsstreit zwischen dem rechten und dem linken Flügel der Fraktion gleichkäme, wird selbst von linken Abgeordneten bestritten. „Das ist keine Frage zwischen rechts und links, sondern die Frage, wer in der Gesundheitspolitik kompetenter ist“, sagt einer vom linken Flügel.

In der Tat hatte Schreiner noch nicht einmal das gesamte linke Lager der Fraktion hinter sich vereinen können. So war man sich bei der Parlamentarischen Linken weitgehend darüber einig, dass der nächste Posten im Fraktionsvorstand an eine Frau gehen sollte. Schaich-Walch gilt in der Partei durchaus nicht als rechts, sondern eher als „gemäßigte Linke“ und konnte so mit linker Unterstützung rechnen. Doch auch der am rechten Parteiflügel angesiedelten Seeheimer Kreis unterstützte die 54-Jährige. Seinen Mitgliedern war daran gelegen, keine fachliche Konkurrenz zu ihrer sozialpolitischen Fraktionsvize Ulla Schmidt aufzubauen. Dies wäre der Fall gewesen, wenn Schreiner gewonnen hätte. Diese Frage könnte erneut Thema werden, wenn Ottmar Schreiner sich entschließen sollte, bei den regulären Wahlen zum Fraktionsvorstand im November wieder als Stellvertreter zu kandidieren.

Hinweis:Ein Streit zwischen links und rechts wird dementiert. Es gehe um Kompetenz in der Gesundheitspolitik.