Nebensachen aus Tokio
: Technorhythmen gegen rechte Militärhymnen

Japan braucht eine Love Parade und Hilfe aus Berlin

Berliner Technofreaks, kommt nach Japan, es eilt! Zeigt den fernöstlichen Inselbewohnern subito, wie eine prächtige Sound-Parade organisiert wird. Eine Love Parade – für ein Jahr und noch viel länger – braucht dieses Land. Es ist dringend. Denn Millionen pazifistisch denkender Japanerinnen und Japaner warten auf eure Hilfe, weil sie schon schwer hörgeschädigt sind. „Brauner Lärm“ aus Lautsprecherwagen der rechtsextremen Szene enzündet ihrer Trommelfelle, und dieser Lärm wird täglich lauter.

Es ist schon so schlimm geworden, dass viele Leute nur noch mit schallgedämpften Kopfhörern unterwegs sind, wenn gerade wieder ein Staatschef aus einem Nachbarland in Tokio weilt. Denn ohne Ohrschutz überleben die Trommelfelle der Passanten den Gang ins Stadtzentrum nicht mehr. So am vergangenen Dienstag, als der Lärmpegel wieder Schmerzgrenzen erreichte. Russlands Staatspräsident Wladimir Putin weilte in Tokio, und Nippons Rechtsextreme – U-yoku – nahmen seinen Besuch zum Anlass für eine Invasion mit 150 Lautsprecherwagen. Die bedeckten die Innenstadt stundenlang mit einem Lärmteppich voll unflätiger Beschimpfungen und rechter Militärhymnen.

Mit 200 Dezibel brüllten die U-yoku ihre Forderungen an den Fassaden der Bürotürme und Einkaufszentren hoch. Den Tokiotern blieb derweil nur die Flucht hinter geschlossene Türen und Fenster, um ihre Trommelfelle zu retten.

Wären es nur sporadische Lärmattacken, dann würde niemand eine Love Parade fürs ganze Jahr herbeiflehen. Doch es ist viel schlimmer! Denn die Menschen in den japanischen Großstädten müssen sich täglich diese rechten Attacken gefallen lassen. Achthundert Gruppen sind regelmäßig mit 1.100 großen Lautsprecherwagen unterwegs und beschallen Wohn- und Geschäftsviertel mit ohrenbetäubendem Krach.

Beschimpft werden die Nachbarn Russland, Korea und China sowie liberale japanische Politiker und Schriftsteller. Die rund 4.000 organisierten Rechtsextremen halten sprichwörtlich 126 Millionen Japaner als Lärmgeiseln. Das ist unfair. Denn schließlich lehnen die meisten Japaner die Forderungen der Krachbrüder ab.

Die Polizei und konservative Politiker sehen dem Treiben der Rechtsextremen mit Nachsicht zu, weil sie die Gruppen öfter als Instrument für ihre eigenen Zwecke einspannen. So bleibt der pazifistisch gesinnten Bevölkerung Japans nur dieser letzte Ausweg eines Hilferufs an Berlin. Helft bei der Schaffung einer Lärmalternative unter dem Motto „Technorhythmen gegen rechte Militärhymnen“. Es eilt! ANDRÉ KUNZ