Union und DGB werden weich

Nach dem Renten-Gipfel zwischen SPD und Gewerkschaften signalisiert auch die Union ihren Willen zum Kompromiss. Kanzler Schröder verspricht Rückkehr zur Nettolohnanpassung schon im nächsten Jahr. Finanzierung der Zusatzrenten ist offen

von A. ROGALLA und S. WEILAND

Horst Seehofer, dem Rentenexperten der Union, war die Genugtuung anzumerken. Was die Bundesregierung mit den Gewerkschaften am Montagabend zur Rente ausgehandelt hatte, erweckte für ihn den „Anschein“, dass Rotgrün „Zug um Zug unsere Kernforderungen erfüllen möchte“.

Zwei Punkte hob der CSU-Politiker gestern hervor: Zum einen wolle die Regierung schon ab 2001 zur Anpassung der Renten an die Nettolohnentwicklung zurückkehren. Zum anderen soll – wie von der Union verlangt – Familien bei der privaten Altersvorsorge pro Kind und Monat 30 Mark dazugezahlt werden. Trotzdem schwang bei Seehofer noch Skepsis mit. Möglich sei ja, das etwa für die Kinderkomponente an anderer Stelle etwas weggenommen werde. Das werde die Prüfung der Gesetzesvorlage ergeben, die in spätestens drei Wochen vorliegen soll. Ausdrücklich lobte Seehofer die am Montagabend vereinbarte Förderung der Betriebsrenten. Bei dieser und der privaten Zusatzvorsorge müsse jedoch das Prinzip der Freiwilligkeit gelten. Seehofer verwahrte sich gegen den Eindruck, die Union wolle den Rentenkompromiss aus taktischen Gründen hinauszögern.

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und der CSU-Parteichef Edmund Stoiber hätten vereinbart, sich erst nach Vorlage der Gesetzesvorlage zu Details zu äußern. Merkel hatte am Montagabend ihren Willen zu einem parteiübergreifenden Konsens erneuert.

Der Kanzler hatte am Montagabend, nach einem langen Gespräch mit dem SPD-Gewerkschaftsrat, erklärt, er sei froh, dass man sich jetzt auf einen gemeinsamen Weg mache. In den kommenden Wochen wollen Regierung und Gewerkschaften über drei Themen reden: Rentenerhöhungen, Förderung von betrieblichen Renten, Zuschüsse des Staates zur privaten Altersvorsorge. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe wurde verabredet. Spätestens heute soll klarwerden, welche Gewerkschaft dem Gremium angehören wird.

Dass die Regierung sich überhaupt auf diesen Themenkatalog eingelassen hat, wertet der DGB als guten Erfolg. „Bis Sonntag war die Regierung nicht bereit über irgendetwas zu reden, jetzt zeigt sie Entgegenkommen“, betont Erich Standfest, Leiter der Abteilung Sozialpolitik.

Rasch einig werden dürfte sich die Runde über die vorzeitige Aufhebung der Rentenanpassung an den Inflationsausgleich. In diesem und im kommenden Jahr sollte die Rente statt an die Nettolohnentwicklung an die Höhe der Inflation angeglichen werden. Nun bietet Schröder an, im Jahr 2001 die Rentensteigerung wieder an die Entwicklung der Nettolöhne anzupassen.

Eine großzügige Geste? Nicht wirklich; es könnte ein Nullsummenspiel werden. Anderes als in diesem Jahr werden sich den Prognosen zufolge 2001 Inflationsrate und Lohnsteigerung nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Schließlich haben die grossen Gewerkschaften Tarifverträge bis zum Ende des kommenden Jahres abgeschlossen – mit moderaten Steigerungen um zwei Prozent. Die Inflationsrate wird mit etwa 1,8 Prozent prognostiziert. „Wir werden dafür kämpfen, dass die Renten um 2,5 Prozent angehoben werden“, verspricht Standfest.

Stärkung der Betriebsrenten, staatlicher Zuschuß zur privaten Altersvorsorge und die vorzeitige Anpassung der Rente an den Nettolohn, darin sieht Herbert Mai, Chef der ÖTV, einen „großen Erfolg der Gewerkschaften“. Mit diesen „drei Säulen“ hätten die Gewerkschaften ein grosses Stück ihrer Zielsetzung erreicht. Vieles sei allerdings noch vage.

„Eine ganze Reihe von Gesprächen sind noch notwendig“, befindet auch die Sprecherin der HBV. Betriebliche Altersrenten seien vielfach in den Industriebranchen geregelt, Verkäuferinnen oder Bankangestellte könnten von einer solchen Zusatzversorgung nur träumen. Wieviele Betriebe bislang eine zusätzliche Altersversorgung bieten, kann niemand sagen, selbst in der gutorganisierten Metallbranche nicht. Beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall jedenfalls werden „seit Jahren keine neue Zusagen für Betriebsrenten mehr gezählt“. Möglicherwiese favorisiert die Regierung mit der Stärkung der Betriebsrenten ein auslaufendes Modell.

Die HBV mag auch nicht auf die paritätische Finanzierung der Zusatzversorgungen verzichten. Für dieses Beharren dürfte sie bei der IG Metall Unterstützung finden. Deren Vorsitzender Klaus Zwickel sagte gestern, die bekanntgewordenen Vorschläge seien „nicht geeignet, die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung langfristig zu sichern“. Beim DGB wird die Parität schon anders beurteilt: „Dies ist nicht mehr der Tenor“, sagt Standfest. Der DGB sei flexibel, entscheidend sei, dass sich die Arbeitgeber überhaupt an der kapitalgedeckten Altersvorsorge beteiligten.