Bilderwahn auf der Autobahn

Die UMTS-Lizenzen sind unter Dach und Fach. Jetzt kann sie kommen, die multimediale Zukunft – und wird im Straßenverkehr noch für so manche Überraschung sorgen

Eine prima Zukunftsinvestition haben sie getätigt, die Sieger der UMTS-Versteigerung, die vor anderthalb Wochen in Mainz zu Ende ging. Heißt es jedenfalls aus den Chefetagen der Telekommunikationsunternehmen. Fast 100 Milliarden Mark überweisen nun die Bieter T-Mobil, Mannesmann Mobilfunk, E-Plus, Viag Interkom, Mobilcom und das Bieterkonsortium 3G einem überglücklichen Finanzminister für den Einstieg in das neue Mobilfunkzeitalter. Mit dem „Universal Mobile Telecommunications System“ können künftig also Bilder, Videos und Musik blitzschnell aufs Handy übertragen werden.

Jetzt kann sie endlich kommen, die multimediale Zukunft – auch im Straßenverkehr. Spätestens wenn UMTS endlich eingeführt ist, werden wir dann immer und überall von Bildschirmen begleitet, insbesondere in der ansonsten kommunikationsberuhigten Zone des Autos mit einem einsamen Fahrer. Wer die Fernsehberichterstattung zur UMTS-Versteigerung aufmerksam verfolgt hat, der ist immer wieder mit Videomaterialien aus den Konzernpressestellen konfrontiert worden, wie man sich das bei D2, T-Mobil und anderswo mit der neuen Handy-Zukunft so vorstellt. Insbesondere das Promo-Video von D2, das beispielsweise das ZDF in seinen Sendungen ausgiebig geplündert hat, zeigt eine Vision von Frauen, die im Auto schnell noch Pumps nach Handy-Bild ordern. Oder Manager, die sich telekommunikativ schon mal ihr Hotelzimmer in Tokio vorführen lassen. Geflissentlich vermeiden die Presseleute der Konzerne Szenen, in denen die Menschen beim Autofahren auf die Monitore starren, denn in den Filmen handelt es sich um Taxigäste.

Aber die Botschaft ist eindeutig: Videos und Internetseiten, Sounds und Fotos auf dem Minibildschirm des Handys sollen vor allem dort gesehen werden, wo die stationären Bildschirme und Telefone nicht vorhanden sind – sprich: unterwegs. Und auch der Taxifahrer ruft zur Orientierung immer wieder Landkarten auf, die er sich auch mal groß auf die Windschutzscheibe projizieren lässt. Das Auto als Breitwandbildschirm.

Das steht im Einklang mit anderen technischen Entwicklungen, die derzeit erprobt werden: Digitales Fernsehen zum Empfang in sich schnell bewegenden Autos ist eines der Showprojekte deutschen Ingenieurgeistes auf der Hannoveraner Expo. Das Ganze ließe sich auch über die Kanäle des digitalen Radios DAB übertragen, wenn es nach den Technikern von Bosch-Blaupunkt ginge. Zu bedienen über ein hochintegriertes Mäuseklavier am Blinkerhebel mit Dutzenden von Funktionen, Unterfunktionen, Menüs und Untermenüs.

Aus dem Bundesverkehrsministerium kommt derweil die Direktive, dass demnächst das Telefonieren mit dem stinknormalen Handy im Auto unter Strafe gestellt wird. Letztlich eine Anpassung an geltendes Recht in unseren Nachbarländern. Zum Thema Videoprojektion im Auto fällt dem Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt höchstpersönlich dagegen nichts anderes ein als: „Ich bin gegen Verbote!“

Und so werden wohl in absehbarer Zeit Unfälle wie der, bei dem ein Ehepaar vor zwei Jahren an Weihnachten in einen See bei Potsdam gebrettert ist, weil das hochmoderne Navigationssystem statt einer Fähre an dieser Stelle eine Brücke verzeichnete, noch zu den glimpflicheren gehören, mit denen man hierzulande bald rechnen muss. Die zuständigen Ingenieure bremst – wenn schon nicht die Politik – allenfalls noch die unvermeidliche Feindberührung mit dem Gegenverkehr. JÜRGEN BISCHOFF