Ein Präsident setzt sich durch

Der türkische Staatschef Sezer verhindert, dass Extremisten per Dekret aus dem Staatsdienst entfernt werden. Das soll jetzt auf gesetzlicher Grundlage geschehen

ISTANBUL taz ■ Die Absicht der türkischen Regierung, per Dekret so genannte islamische Fundamentalisten oder vermeintliche Seperatisten aus dem Staatsdienst zu entfernen, ist am Widerstand von Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer gescheitert. In einem wochenlangen Konflikt zwischen Regierungschef Bülent Ecevit und Sezer setzte sich der Präsident mit seiner Auffassung durch, eine solche Maßnahme könne nicht per Dekret, sondern nur auf der Grundlage eines Gesetzes ergriffen werden.

Nachdem Sezer anfang der Woche ein zweites Mal förmlich seine Unterschrift unter das Dekret verweigerte, kündigte die Regierung nach einem Treffen der drei Vorsitzenden der an der Koalition beteiligten Parteien an, nach der Sommerpause eine entsprechende Vorlage ins Parlament einzubringen. Daran änderte auch eine gestrige Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates, über den die Militärs ihre Wünsche in die Exekutive einspeisen, nichts. Zwar stimmte Sezer zu, dass im Kommunique des Nationalen Sicherheitsrates bekräftigt wird, der Staat werde alle Mittel ergreifen, um den Staatsapparat vor einer extremistischen Unterwanderung zu schützen, aber eben nicht per Dekret.

Damit ist eine bislang beispiellose Konfrontation zwischen den beiden obersten Verfassungsorganen vorläufig durch einen Rückzug der Regierung beigelegt worden. Sezer hatte von Beginn der Kontroverse an klargemacht, dass er nicht dagegen sei, Extremisten aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen, allerdings dürfe dies nur auf einer klaren gesetzlichen Grundlage geschehen. Die Militärs, die im Hintergund auf die Maßnahme der Regierung gedrängt haben, haben zwar gestern deutlich gemacht, dass sie weiterhin darauf bestehen werden, den laizistischen Staat gegen eine islamische Unterwanderung zu schützen. Offenbar sind sie aber bereit zu akzeptieren, dass dies zukünftig nach rechtsstaatlichen Grundsätzen und nicht mehr auf dem Weg administrativer Säuberungen geschieht.

Durch sein Beispiel gibt Sezer nicht nur innenpolitisch ein wichtiges Signal, auch in Brüssel dürfte man die Auseinandersetzung zwischen Präsident und Regierungschef aufmerksam verfolgt haben. Die Stärkung des Rechtsstaates ist eine der Hauptforderungen der EU an die Türkei. JÜRGEN GOTTSCHLICH