Der Meister selbst

Auch auf den Filmplakaten in immer größeren Lettern: Alfred Hitchcock – Ausstellung im Filmmuseum Potsdam

Alfred Hitchcock war sich für einen Werbeauftritt in eigener Sache nie zu schade. Nur allzu gern präsentierte er sich dem Publikum als korrekter britischer Gentleman, der in Trailern und Fernsehauftritten mit sichtbarem Vergnügen und rabenschwarzem Humor grausliche Geschichten erzählte. So erscheint es nur konsequent, wenn die Hitchcock-Ausstellung des Filmmuseums Potsdam die Selbstdarstellung an den Anfang stellt: Neben Fotos, die den Filmemacher bei seinen diversen Publicity-Aktivitäten zeigen, sind es vor allem die legendären Einführungen in die Fernsehserie „Alfred Hitchcock Presents“, die von seinem Selbststilisierungsgenie zeugen.

Doch die von den Filmmuseen Düsseldorf, Frankfurt am Main, München und Potsdam gemeinsam konzipierte Schau verspricht auch tiefer gehende Einblicke in das Werk des Meisters. „Obsessionen. Die Alptraumfabrik des Alfred Hitchcock“ heißt es im Titel; Themenkomplexe, denen man vor allem mit einer extensiven Ansammlung von Fotos und Fotogrammen nahe zu kommen sucht. Das aber gelingt nur teilweise. Wird Hitchcocks stark katholisch geprägtes Universum aus Sexualfantasien, Schuldkomplexen und Sühne in Zusammenstellungen zu den Sujets „Eingesperrt“, „Abgründe“ und „Mord“ wenigstens ansatzweise greifbar, so fehlen andere Fixpunkte seines Oeuvres wie die Motivgeschichte des unschuldig Verfolgten und – völlig überraschend – des Meisters berühmteste Kreation, der MacGuffin, gleich völlig. An einigen Stellen bleibt der Bilderwust schlicht banal (etwa. „Tiere“ in Hitchcocks Filmen), anderenorts gerät eine fehlende Erläuterung sogar zum Ärgernis: Was bitte nutzen dem Betrachter einige rotstichige Fotogramme aus „Marnie“, wenn die Farbdramaturgie des Films – die „roten“ Sequenzen repräsentieren Marnies wiederkehrende Albträume, die in ihrer heftigen Farbigkeit in die ansonsten trist und grau gestaltete Welt der Kleptomanin einbrechen – nicht erklärt wird?

Ein besseres Beispiel bietet die Abteilung „Ton“, wo man der berühmten Tonmontage aus „Blackmail“ lauschen kann: Anny Ondra, die zuvor einen Mann mit einem Messer erstochen hat, vernimmt in einer harmlosen häuslichen Konversation das Wort „Messer“ immer lauter und schärfer, während der Rest der Unterhaltung zusehends im Hintergrund verschwimmt. Schade nur, dass sich die verschiedenen O-Töne im großen Ausstellungssaal angesichts fehlender Kopfhörer teilweise gegenseitig überlagern. Die interessanten Momente der Exposition ergeben sich eher aus produktionstechnischen denn aus inhaltlichen Aspekten des hitchcockschen Werks: die Erläuterung eines Matte Paintings am Beispiel von „The Birds“, Kostümentwürfe von Edith Head, Storyboards und ihre Umsetzung in die entsprechenden Filmeinstellungen oder die detaillierten Produktionskosten von „Mr. and Mrs. Smith“.

Den zentralen Platz der Ausstellung aber nimmt Hitchcocks wohl berühmtestes Werk ein: In einer Duschdekoration kann man zu den Klängen von Bernard Herrmans schriller Musik den Mord an Janet Leigh in „Psycho“ anhand von großformatigen Szenenfotos noch einmal in allen Einzelheiten Revue passieren lassen. Und dann gibt es da noch ein makabres Detail, das wohl auch Hitchcock gefallen hätte: die Rechnung über zwölf Duschvorhänge aus Plastik.

LARS PENNING

Ausstellung und Retrospektive imFilmmuseum Potsdam bis 5. 11.Katalog beim Schüren Verlag 28 DM