Der große Balztanz

Auf der Telemesse in Düsseldorf buhlen die Sender um die Gunst der Mediaplaner – denn die Werbemillionen machen das Programm

von STEFFEN GRIMBERG

Ohne Werbung bliebe der Bildschirm schwarz. Und damit dieser Schlachtruf der Privatfernsehmacher auch wirklich allen ZuschauerInnen daheim am Free-TV einleuchtet, wird dann, wie kürzlich geschehen, auch schon einmal 90 kostbare Sekunden nichts gesendet. Werbung ermöglicht Programm, sollen wir lernen. Dass Werbung auch Programm macht, geben die Sendergewaltigen schon nicht mehr so gerne zu. Wie das funktioniert, zeigt ab heute wieder der eigentliche Branchentreff der TV-Industrie.

Auf der Düsseldorfer Telemesse begegnet das Fernsehen seinen Kunden: nicht etwa den ZuschauerInnen, sondern den Mediaplanern. Denn dieser Berufszweig verwaltet die Werbetats der kleinen und großen Firmen. Allein die Marktführer HMS Carat und Mediacom lenkten 1999 jeweils mehr als vier Milliarden Reklamemark, auf die verschiedenen Werbeträger vom Kinospot bis zum Plakat an der Straßenbahnhaltestelle, wobei der Hauptanteil auf Zeitungen und Zeitschriften und eben das Fernsehen entfällt. Das Vorbild der Telemesse findet sich natürlich im Mutterland des kommerziellen Fernsehens: Bei den May Screenings in Los Angeles präsentieren die amerikanischen Sender alljährlich ihr neues Programm für die im Herbst startende TV-Saison. In Deutschland war das bis 1997 noch etwas komplizierter. Hier zog jeder Sender einzeln mit seiner „Fall Season“ im Gepäck zu den Herren der Reklame. Jetzt kommt der Kunde zum Verkäufer. Das Konzept ging auf: Kein Programmveranstalter kommt heute mehr an der Telemesse vorbei.

Natürlich muss hier niemand ganze Serienstaffeln oder TV-Movies über sich ergehen lassen. Auf rund anderthalb Stunden wird das neue Programm komprimiert, schließlich geht’s um den positiven Gesamteindruck. Daher sind die Messestände und Screening-Kinos zumindest der großen Sender üppigst, Getränke gratis und kleine Geschenke inklusive. Abgerechnet wird natürlich später.

Dann nämlich, wenn die Werbeinseln in und um die neue Sendung, das neue Format von den Mediaplanern gebucht werden. Geben sie einem Programm von Anfang an keine Chance, hat kaum ein Sender genügend Stehvermögen – die „Harald-Schmidt-Show“ auf Sat.1 ist so ziemlich das einzige Gegenbeispiel, weshalb sich Herr Schmidt auch nach fünf Jahren stets artig bei noch-Sat.1-Programmchef Fred Kogel bedankt.

Dieser Mechanismus fördert das Mittelmaß: Schließlich ist TV-Werbung immer noch auf das Massenpublikum fixiert, was sich im arg fragmentierten deutschen TV-Markt zwar immer mehr als Chimäre erweist – doch Mediaplaner rechnen nun einmal ausschließlich mit der Quote. Neues, Unkonventionelles bleibt so auf der Strecke: Traut sich ein Sender dennoch, führt mangelnder Enthusiasmus der Reklame-Planer oft zu einer ungünstigeren Platzierung im Programm. Folglich entsprechen die Einschaltquoten dann wirklich nicht den Erwartungen, was auch die Preise für Werbezeit noch einmal senkt. Und der Sender steht nur noch vor der Entscheidung, mit den geringeren Einahmen zu leben und sein Produkt zu „versenden“ oder lieber gleich den Stecker zu ziehen und ein bewährtes Ersatzprogramm billig in Wiederholung zu zeigen.

Das Publikum wäre für den längerem Atem wohl zu haben: Wenige Tage vor der gemeinsamen „Schwarzbildschirm“-Aktion der Privatsender fielen bei Sat.1 Bild und Ton minutenlang einer technischen Störung zum Opfer. Und über zwei Millionen ZuschauerInnen blieben dran.