Verzückt erstarrt

Die Beachvolleyballer ziehen bei der Deutschen Meisterschaft die Bilanz der vergangenen Jahre und stellen fest: die einstige Trendsportart stagniert

Aus Timmendorf OLIVER CAMP

Düstere Wolken verfinsterten am Sonntagmorgen den Himmel über der Ostsee. Nasskalter Nieselregen. Die Finalspiele einer langen Beachvolleyballsaison fanden am Wochenende die passende Metapher für die Zukunftsaussichten der jungen Sportart.

Die Floskel „Trendsport“ ist mittlerweile unpassend für den Strandsport. Die Anfänge der bundesdeutschen Sanddurchwühlung fanden 1992 noch unbeachtet in Damp statt. Acht Jahre später ist Beachvolleyball ein florierendes Geschäft, das allein in Deutschland der ausrichtenden Werbeagentur MNP einen Umsatz von 2,8 Millionen Mark beschert. Die globalisierten Werbeetats sollen verkaufssteigernd eingesetzt werden, und die Beachvolleyballer interessieren sich für moderne Images, nicht für die langfristige, solide Entwicklung einer Sportart. Der Strandsport ist am Scheideweg.

Wetterwendisch präsentierten sich in den vergangenen zwei Jahren auch die langjährigen Olympiahelden Jörg Ahmann (34) und sein Partner Axel Hager (31): In 26 internationalen Qualifikationsturnieren gelangen ihnen bestenfalls neunte Plätze, und national wurden sie von Oliver Oetke (33) und Andreas Scheuerpflug (31) entthront. Dennoch schafften die Beachvolleyball-Ikonen im letzten Augenblick die Qualifikation für Sydney – nicht nur aufgrund eigener Stärke, sondern weil das junge nationale Konkurrenzduo Christoph und Markus Dieckmann verletzungsbedingt ausfiel. Dieses Wochenende stoppten die ebenfalls für Olympia nominierten Oetke/Scheuerpflug einen der seltenen Auftritte der Routiniers Ahmann/Hager auf deutschem Boden bereits im Halbfinale.

Ähnlich ist die Konkurrenzsituation bei den Frauen: Zwischen den Beachkämpferinnen Gudula Staub (32) und Ulrike Schmidt (31), die sich souverän den Titel erspielten, sowie dem verletzungsbedingt pausierenden Team Maike Friedrichsen/Danja Müsch und den folgenden Teams klafft eine große Qualitätslücke. Und: eine Leistungsexplosion ist vorerst nicht zu erwarten. Voller Selbstzufriedenheit erstarrte die Damen-Szene zuletzt in Verzückung vor den Leistungen der beiden Top-Duos und mied internationale Wettkämpfe.

„Dadurch, dass Uli und ich kaum in Deutschland gespielt haben, fehlen den anderen die Lernmöglichkeiten, denn nur Niederlagen können Weiterentwicklungen anstoßen“, sagt Staub. Die Qualifikationsturniere zur Weltserie wurden von den Spitzenteams kaum frequentiert, lediglich zum lukrativen Turnier in Berlin ließen sie sich locken. Die Lethargie der Jugend nutzten Andrea Ahmann und Silke Schmitt zu einem eindrucksvollen Sommer: Drei Masters-Siege und ein zweiter Platz bei den DM in Timmendorf zeugten von der Motivation der erfahrenen Hamburgerinnen.

Das Ende der Stagnation ist jedoch immerhin absehbar: Bei der Junioren-EM im August sorgten die Titelgewinner Matthias Karger/Maarten Lammens wie auch die Drittplatzierten Niklas Rademacher/Julius Brink für gute Resultate. In Reichweite der europäischen Spitze spielten Melanie Fleig/Leoni Müller (4.) und Judith Geukes/Katrin Holtwick (5.) bei der Jugend-EM.

Das Timmendorfer Meisterschaftsfinale bei den Herren, in dem Oetke/Scheuerpflug die Dieckmann-Zwillinge mit 12:10, 12:10 bezwangen, fand am gestrigen Nachmittag dann wieder bei Sonnenschein, blauem Himmel und leichter Brise vor 6.000 ausgelassenen Kurgästen und Fans statt. Das Schicksal der Zunft wird jedoch im nacholympischen Jahr entschieden: Impulse und Signale sind gefordert – auch von den Startern in Sydney.

Die nationale Turnierserie mit insgesamt 520.000 Mark Preisgeld sowie die anteilige Unterstützung des Verbandes haben die deutschen Beachvolleyballer zum weltweit drittbesten Verband gemacht. Jetzt müssen die Athleten den nötigen Biss zeigen, um dem Strandvolleyball anhaltende Beachtung zu bringen und das Interesse der werbetreibenden Wirtschaft dauerhaft wach zu halten.