Es muss nicht immer nur Zivildienst sein

■ Zentralstelle rät, spät zu verweigern – viele könnten so um den Dienst herumkommen

„Zlatko muss – Jürgen nicht“ – das ist der Slogan der „Aktion Zeitgewinn“. Damit macht die bundesweite „Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer“ mit Sitz in Bremen auf ihre neue Beratungspraxis aufmerksam. Galt bei der Verweigerung bisher die Richtlinie „je früher, desto besser“, empfehlen die Berater nun, möglichst lange zu warten.

Der Grund für den Kurswechsel liegt in der Bundeswehr-Planung von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD): Nach Berechnungen der Zentralstelle wird die Bundeswehr schon im nächsten Jahr nur noch jeden zweiten Tauglichen einberufen können. Den Zivildienst sollen hingegen weiterhin alle Verweigerer antreten. „Damit ist die Wehrgerechtigkeit endgültig ad absurdum geführt“, sagt Paul Betz von der Zentralstelle.

Doch es gibt einen Ausweg: Wer bis zur Einberufung nicht verweigert, hat eine gute Chance, unerkannt durch Scharpings Raster zu fallen. Kommt die Einberufung doch, muss der Verweigerer nicht unbedingt durch das ungeliebte Ausschuss-Verfahren, das für Bundeswehr-Angehörige üblich ist: Wer die Einberufung per Einschreiben bekommt, kann seinen KDV-Antrag innerhalb von drei Tagen ab Poststempel persönlich beim Kreiswehrersatzamt abgeben – dann kommt er immer noch ins einfache Verfahren beim Bundesamt für den Zivildienst. „Das ist richtig, zu solchen Fällen ist es vereinzelt schon gekommen“, bestätigt Hans-Joachim Neusüß, Leiter des Bremer Kreiswehrersatzamtes.

Sehr selten kommt die Einberufung mit Postzustellurkunde – dann gilt sie sofort als zugestellt und der Verweigerer muss vor den Ausschuss. „Aber auch da werden 80 Prozent anerkannt, 60 Prozent sogar nach Aktenlage“, sagt Betz. In der Beratung sei das Echo auf die neuen Perspektiven geteilt: Etwa die Hälfte der Kriegsdienstgegner wolle ohnehin erstmal Zivildienst machen. Aber wer schon konkrete Pläne habe, finde die Zeitersparnis häufig attraktiv. „Viele von den Jungs spekulieren schon selbst mit Aktien. Die Pokern auch beim Zivildienst gern“, sagt Betz.

Aus dem Verteidigungsministerium ist zum Thema nur zu hören, man beteilige sich nicht an „Begründungszusammenhängen, wie man am besten um die Dienstpflicht herumkommt“. Allerdings wird auf der Hardthöhe anders gerechnet: Nur 12 Prozent würden nach Scharpings Kalkulation nicht einberufen – wenn keine Tarnkappen-Zivis hinzukommen. „Es ist nichts Ungewöhnliches, dass das Verteidigungsministerium falsche Zahlen liefert“ kommentiert Zivi-Berater Betz. jank