Zoff um Schienen der Bahn

Bahnchef und Vorsitzender des Aufsichtsrates sind sich uneins über die Finanzierung des Streckennetzes. Ein Arbeitskreis soll ab Anfang September nach Lösungen suchen

BERLIN rtr/taz ■ Die Bahn plagt sich offenbar mit internen Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft ihres Schienennetzes. Wie der Spiegel in seiner heutigen Ausgabe berichtet, streiten der Chef der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, und der Aufsichtsratsvorsitzende Dieter Vogel darüber, ob Fahrweg und Transportbetrieb unter einem Dach bleiben sollen oder ob der Staat für die Finanzierung des Netzes verantwortlich sei.

Mehdorn will das Schienenetz bei der Bahn AG behalten und über die Kapitalmärkte in das Netz investieren. Der ehemalige Thyssen-Chef Vogel habe diese Idee in einem vertraulichen Schreiben an Mehdorn als „realitätsfremd“ und „gefährlich“ bezeichnet, so der Spiegel. Vogel sagte, dass es nicht Ziel der Bahn sein könne, an Stelle des Staates die Kapitalkosten für die Infrastruktur zu übernehmen. Auch Flugzeug und Auto trügen für ihre Transportwege weder die vollen Kosten noch das Auslastungsrisiko. Würde das Schienennetz seine vollen Kosten betriebswirtschaftlich darstellen, so könne es die Transportgesellschaften in den Abgrund ziehen.

Bahnchef Mehdorn erklärte, den Brief habe er bereits im März dieses Jahres erhalten und sich in anschließenden Gesprächen mit Vogel darauf verständigt, Anfang September eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die sich mit dem Thema beschäftigen soll. Allerdings sei es für ihn klar, dass Rad und Schiene eine technologische Einheit darstellen, die es bei anderen Verkehrsmitteln so nicht gebe. Sicherheits- und Leittechnik bildeten im Zug und an der Schiene ein zusammenhängendes System, in das man sinnvollerweise auch aus einer Hand investieren müsse.

Welche Folgen eine Trennung der beiden Bereiche für die Sicherheit haben könne, sei derzeit in England zu sehen. So habe es auch das Europäische Parlament kürzlich abgelehnt, Netz und Betrieb bei den europäischen Bahnen vollständig zu trennen. Für die weitere Finanzierung der Netzinfrastruktur mahnt Mehdorn die staatlichen Zusagen von jährlich 9 Milliarden Mark aus dem Bahngründungsgesetz von 1994 an.

Weitere Finanzierungsmöglichkeiten sieht Bundesumweltminister Jürgen Trittin: ein Teil der Zinsersparnisse, die sich aus der Schuldentilgung durch die UMTS-Erlöse ergeben, will er für das „Sorgenkind Bahn“ verwendet wissen. KATRIN EVERS