Bewag als Sprungbrett in Deutschlands Osten

Nach der Übernahme der Bewag haben die Hamburgischen Electricitäts-Werke beste Chancen, auch Veag und Laubag zu übernehmen

BERLIN taz ■ Das ist die Zielgerade. Bei der Neuaufteilung ist seit dem Überraschungscoup der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) die neue Landkarte praktisch gezeichnet. Aus ehemals acht großen Energiegiganten mit entsprechenden Einflusssphären sind jetzt vier geworden – die noch gigantischer sind.

In Ruhrgebiet und Saarland, Rheinpfalz und Allgäu regiert künftig der Zusammenschluss aus RWE und Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen, der sich den schönen Namen RWE/VEW zugelegt hat. Deutschlands Mitte – von Nord bis Süd –, also Bayern, Hessen, Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein, werden von der aus PreussenElektra und Bayernwerke vereinigten neuen Gesellschaft E.ON verwaltet. In Baden-Württemberg hat die Energie Baden-Württemberg (EnBW) das Sagen. Die Großstädte Hamburg und Berlin werden von den HEW beliefert.

Einziger offener Posten beim Poker um Netze, Märkte, Einflusssphären ist die Vereinigte Energiewerke AG (Veag), der ostdeutsche Markt also. Kurz nach der Wende gegründet, fasste die Veag alle einstigen sozialistischen Energie- und Netzkombinate unter ihrem Dach zusammen. 1994 privatisierte die Treuhand die Veag. Schwarze Pumpe, Boxberg oder Lippendorf: Über 16 Milliarden Mark steckte die Veag in Modernisierung oder Neubau von Netz und der sieben Kraftwerke – darunter vier braunkohlebetriebene –, die seitdem zu den modernsten der Welt zählen. Von den einst 120.000 Jobs in der realsozialistischen Braunkohleindustrie blieben lediglich 20.000 übrig.

Wegen der hohen Investitionskosten kämpft der ostdeutsche Stromversorger mit enormen Belastungen. Die Veag braucht dringend Hilfe. Ihre Verschuldung könnte mittelfristig auf sieben Milliarden Mark steigen. Zwar musste sie 1999 „nur“ einen Betriebsverlust von 155 Millionen Mark verkraften. Wegen hoher Rückstellungen für weitere Verluste weist die Bilanz jedoch einen Fehlbetrag von 1,87 Milliarden Mark aus.

HEW-Chef Timm fühlt sich für eine Übernahme der Veag bestens gerüstet: „Mit der Bewag und Vattenfall im Rücken sind wir auch finanztechnisch gut gestellt“, erklärte er gestern. Noch im August soll das Bieterverfahren eröffnet werden. Als HEW-Gebot sind zwei Milliarden Mark im Gespräch – mehr ist nicht ausgeschlossen.

Ein neuer Konzern aus HEW, Bewag, Veag und der ebenfalls von der HEW anvisierten Lausitzer Braunkohlen AG (Laubag) hätte dann einen Jahresumsatz von etwa zehn Milliarden Mark. Damit würden die bis gestern eher unbedeutenden Hamburgischen Electricitäts-Werke zum drittgrößten Energiekonzern Deutschlands. NICK REIMER