Zweidimensionale Helden in 3D

Alles Effekt: Die Hightech-Animation „Titan A.E.“ will zeigen, wozu der Zeichentrickfilm alles fähig ist – sieht aber als komplett ideenfreies Plagiat sämtlicher „Star Wars“-Folgen und anderer Sci-Fi-Filme letztlich ziemlich alt aus

George Lucas scheint ein nachsichtiger Mensch zu sein. Wenn er bis jetzt nicht gegen „Titan A.E.“ geklagt hat, wird er es voraussichtlich nie mehr tun. Grund genug hätte er: Die Hightech-Science-Fiction-Animation ist von vorne bis hinten ein komplett ideenfreies Plagiat sämtlicher „Star Wars“-Filme. Aber dann war George Lucas’ Firma ILM an dem Trickfilm ja auch maßgeblich beteiligt.

Grund zur Klage hätten allerdings auch die Macher von „Star-Trek“, „Kampfstern Galactica“, „Independence Day“ und der Flugsimulation „Wing Commander“ – womit schon klar sein sollte, wie „Titan A.E.“ aussieht: total gut. Rechtschaffen düster.Vollgepackt mit perversen Aliens, Spiralnebeln, schwarzen Löchern und Mega-Raumschiffen. Und ab geht’s quer durch die Quadranten ins neue Jahrtausend. Allein: Wer will hier eigentlich mit?

Das Hauptproblem ist der Ehrgeiz der Animations-Überväter Don Bluth und Gary Goldman. „Titan A.E.“ soll der Welt zeigen, wozu der Zeichentrick heute fähig ist: zu allem nämlich. Aber was sagen uns die tollsten Effekte, die rasantesten Jagden durch glitzernde Eiskristallfelder, wenn sowieso alles Effekt ist? Anders gefragt: War Luke Skywalkers Anflug auf den Todesstern etwa „Realfilm“? Da könnte man sich schon wieder den Kopf zerbrechen über die Grenzen von Virtualität und Realität und was Zeichentrick heute überhaupt soll. Aber lassen wir das.

„Titan A.E.“ sieht schon aus anderen Gründen ziemlich alt aus. Sämtliche Hintergründe sind per Computer auf 3D getrimmt, aber die Figuren sind – 2D! Der zweidimensionale Mensch, der Technik immer eine Dimension hinterher? Es sieht auf jeden Fall blöd aus, ist vermutlich der äußerst knappen Produktionszeit von 19 Monaten geschuldet und wird der Story vollauf gerecht. Da ist ein jugendlicher Draufgänger namens Cale, der die versklavte Menschheit von den außerirdischen Drej befreien soll. Die Energiewesen haben die Erde in die Luft gesprengt (das „A.E.“ steht für „After Earth“) und sind im Übrigen so uneingeschränkt böse und tötenswert, wie man das seit „Independence Day“ gewohnt ist. Den Auftrag erhält Cale per fotoskopischer Lichtprojektion von seinem toten Vater, aka Prinzessin Leyla. Seine Begleiter sind der knorrige Krieger Korso und der Tank-Girl-Verschnitt Akima. Ihre Stimmen erhielten sie im Original von Matt Damon, Bill Pullman und Drew Barrymore. Besonders Cale ist dabei als eitler Zyniker konzipiert, der sich seiner Pflichten besinnt.

Dazu muss er unter dem dröhnenden Sound irgendwelcher Alternative-Metal-Balladen vom einen Raumschiff zum nächsten eiern – im luftleeren Raum empfiehlt sich da allemal schwimmen – und Aliens töten. Wer den Clip der Band Lit gesehen hat, hat alles gesehen; unter anderem das altbekannte Alien-Restaurant nebst schwebendem Essen. Die Löcher im Plot sind so groß, dass man ein Raumschiff durchsteuern könnte; Spannung bleibt aus, weil man eben, von den anvisierten Teenies abgesehen, alles schon gesehen hat und kein Charakter irgendeine Form von Leben entwickelt. Einziger Lichtblick ist Cales Pilotin, eine kryptolesbische Space-Hyäne namens Gune.

In puncto Inhalt und Form ist „Titan A.E.“ also das Gegenteil des Anime „Perfect Blue“, überhaupt ist jede Folge von „Captain Future“ allemal interessanter. Auch wenn die weiße Rasse mit dem Erreichen der Titan endlich ihren Mutterschiff-Mythos beisammen hat, Gen-Datenbank inklusive: vom Regisseur Don Bluth, der sich mit „Feivel, der Mauswanderer“ mal als sympathischere Alternative zu seinem Lehrer Walt Disney empfohlen hat, will man da schon längst nichts mehr wissen. Die Fox-Studios übrigens auch nicht: Die haben ihn rausgeschmissen.

PHILIPP BÜHLER

„Titan A.E“. Regie: Don Bluth, Gary Goldman, Art. 20th Century Fox/Fox Animation, USA 2000, 95 Min.