todavía cuadro
: Boulevard TV

Diesen Sommer stellen taz-KorrespondentInnen in loser Folge ihre berückendsten und bedrückendsten Fernseherfahrungen und TV-Highlights aus aller Welt vor. Heute: Spanien

Jeden Freitagabend laden sich Moderator Ximo Rivera und sechs leitende Redakteure der spanischen Klatschpresse Stars und Sternchen. Nicht etwa zum gesitteten Talk, sondern zum Verhör. „Ihre Mutter hat mir gesagt, dass sie zwölf Stunden bei dir verbringt“, muss sich ein gealterter Schlagerstar anhören. „Stimmt nicht, sie hat neben ihrer Arbeit noch Zeit, zu studieren und sich bei Castings zu bewerben“, antwortet dieser. Schweigen, dann schreit ihn eine der Interviewerinnen an. „Du hast doch was mit ihr, gib’s zu!“ Die Klatschredakteure schreien wild durcheinander. Nach 45 Minuten und mehreren Werbeblocks gibt unser abgehalfterter Sänger händeringend sein Liebesgeheimnis preis. Als Schmerzensgeld gibt es mehrere zehntausend Mark Honorar für den Verhörten und eventuell einen Exklusivvertrag mit einer der Klatschpostillen. Themenwechsel: Eine attraktive Blondine betritt das Studie. „Brüste wie zwei Käse aus Galicien“, schleudert einer dem neuen Opfer entgegen. „Lass uns mal sehen“, sagt der nächste, nimmt die Frau bei der Hand. Sie dreht sich artig vor der Kamera. Zoom auf Dekolleté. „Ein fantasievolles Kleid“, lautet der Kommentar. Susana (25) soll Auskunft geben über Affären mit zwei Stierkämpfern. „Du bist doch ein leichtes Mädchen“ – „Du lebst von den Männern“ – „Wie viele Ficks hast du mit ihm gehabt?“, lauten die nicht gerade höflichen Zwischenrufe. Der Interviewer zieht „Susi“ die Träger des Kleides herunter. „Keine Knutschflecken und Bissspuren“, stellt er fest, „dabei hat man mir gesagt, das der Stierkämpfer im Bett beißt.“

Nichts ist den Inquisitoren heilig, und keiner will Tómbola gesehen haben – schließlich ist der Durchschnittsspanier tolerant und fortschrittlich. Dennoch haben die Wächter über eheliche und geschlechtliche Moral die höchste Einschaltquote der dritten Programme – nur noch übertroffen von Live-Fußball. REINER WANDLER