Die neuen Republikaner

Wohlstand soll nicht mehr Selbstzweck sein und Konservatismus wieder mitfühlend. Das klingt gut. So gut, dass auch schon Bush Senior damit geworben hatte

PHILADELPHIA taz ■ „Wohlstand – nicht um seiner selbst willen“ – so ließe sich das „Prosperity with a Purpose“ wiedergeben, das George W. Bush zum Motto seines Wahlkampfs gemacht hat. Es verbindet sich mit dem ebenfalls griffigen „Compassionate Conservatism“, dem mitfühlenden Konservatismus, der dem Republikaner „neuen Typs“ ein menschliches Antlitz geben soll.

Die Urheberschaft der in der Republikanischen Partei zunächst heftig umstrittenen Begriffe liegt im Dunkeln. Ins politische Vokabular der Bushs eingeführt hat sie jedenfalls vor ziemlich genau 12 Jahren der Vater des diesjährigen Kandidaten.

Auf dem Parteitag der Republikaner in New Orleans versuchte im August 1988 der damalige Vizepräsident George Bush, aus dem Schatten Ronald Reagans herauszutreten: „Wohlstand hat einen tieferen Sinn“, sagte er, „Wohlstand mit einem Ziel bedeutet, unseren Idealismus ernst zu nehmen und ihn durch Güte konkret zu machen.“ Was Bushs Regierungsjahre dann allerdings brachten, war wirtschaftlicher Umbruch, Niedergang der traditionellen verarbeitenden Industrie und weit verbreitete Arbeitslosigkeit. Das daraus resultierende Elend brachte Cliton an die Regierung.

„Hätten in den letzten 12 Jahren die Republikaner regiert“, sagt Jim Wallis, Begründer der Initiative „Call to Renewal“, einer Vereinigung von 60 Kirchen nun zur Bekämpfung der neuen und alten Armut, „dann ginge heute ein Aufschrei durchs Land. In einer Zeit nie da gewesener Prosperität sind die Reichen noch reicher und die Armen ärmer geworden.“ Trotz wirtschaftlicher Expansion stagnieren Reallöhne auf dem Nivau von 1979 oder sind zurückgegangen, Stundenlöhne sind inflationsbereinigt niedriger als Mitte der 60er-Jahre. Konnte man 1979 noch 80 Prozent seiner Lebenshaltungskosten mit dem damaligen Mindestlohn von 2,90 Dollar decken, müsste man heute mindestens 8 Dollar verdienen, um überleben zu können, der Mindestlohn liegt bei 5,15 Dollar.

Die Besinnung der Republikaner darauf, dass Prosperität noch zu etwas anderem gut sein müsse, als das oberste 1 Prozent der Bevölkerung noch reicher zu machen, das ohnehin schon 90 Prozent des Nationalreichtums besitzt, trägt real existierender Not Rechnung. „Demokraten können schlecht auf jenes andere Amerika hinweisen, an dem der Boom vorbeigegangen ist“, sagt Robert Reich, Clintons Arbeitsminister von 1992 bis 1996, „sie wollen schließlich die wirtschaftlichen Erfolge ihrer Regierung vermarkten.“

FBOs heißen die Instrumente von Bushs mitfühlendem Konservatismus und einer Sozialpolitik neuen Typs. Die Abkürzung steht für „Faith Based Organisations“ und für die Idee, dass Kirchen und Glaubensgemeinschaften, Nachbarschaftsgruppen und Bürgerinitiativen wirkungsvoller Armut bekämpfen und Hilfe zur Selbsthilfe leisten können als von Washingtoner Bürokraten verwaltete Regierungsprogramme. Unter den FBOs, die auf Bush und seine Schlagworte nicht gewartet haben, um mit der Arbeit anzufangen, gehen die Meinungen über die realen Absichten einer Regierung Bush auseinander. „Das Ganze ist ein Vorwand zur Streichung öffentlicher Gelder“, argumentiert Ed Shwartz, der ehemals Philadelphias Sozialhaushalt managte. Jim Wallis differenziert: „Wenn Bush gewinnt, die Republikaner aber im Repräsentantenhaus die Mehrheit behalten, können wir den Schmus vom ‚Compassionate Conservatism‘ vergessen. Wenn die Demokraten im Kongress aber eine Mehrheit bekommen, muss Bush sich mit ihnen arrangieren, und sie können ihn beim Wort nehmen.“ PETER TAUTFEST